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Austausch zu Gesundheitsthemen mit AOK-Geschäftsführer Herrmann

Steigende Gesundheitsbeiträge, immer weniger niedergelassene Ärzte, fehlende Medikamente, unnötige Operationen – die Gesundheitsversorgung steht vielfach in der Kritik. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei ist sich mit Klaus Herrmann, Geschäftsführer AOK-Schwarzwald-Baar-Heuberg, und Geschäftsstellenbereichsleiter Joachim Huber sowie mit Gottfried Schmidt, dem Kreisvorsitzenden der CDU-Sozialausschüsse (CDA), einig, dass Deutschland bei allen Problemen immer noch eines der besten Gesundheitssysteme in der Welt hat.

Das Defizit der Krankenkassen wird in diesem Jahr auf mindestens 17 Milliarden prognostiziert, andere Schätzungen gehen sogar von 25 Milliarden aus – eine Deckungslücke, die aktuell nur über höhere Zusatzbeiträge der Mitglieder und Arbeitgeber geschlossen werden kann. Die Ursachen sind vielschichtig: Kosten steigen auch im Gesundheitssystem. Thorsten Frei fügte zudem an, dass auch die hohe Zahl an Flüchtlingen vom System finanziert werden müsse. Klaus Herrmann sieht aber durchaus Möglichkeiten, wie der Staat hier erfolgreich gegensteuern könnte: „Für Bürgergeldempfänger werden monatlich leider nur hundert Euro pro Kopf ins System bezahlt. Aufwenden müssen die Kassen im Schnitt aber 300 Euro. Ein Ausgleich hier und eine aus unserer Sicht längst fällige Senkung der Mehrwertsteuer bei Medikamenten auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent würden das Defizit ausgleichen.“

In einer alternden Gesellschaft mit steigender Lebenserwartung werden letztlich die Gesundheitskosten weiter steigen. „Unsere Gesundheit muss uns aber auch etwas wert sein“, meinte Gottfried Schmidt. Sie müsse allerdings noch bezahlbar bleiben, entgegneten Frei und Herrmann.

Besorgniserregend sei aber nicht nur der wachsende Altersdurchschnitt der Deutschen. Selbst die Jugend bereite den Kassen zunehmend Sorgen: „Kinder und Jugendliche bewegen sich immer weniger. Das stundenlange Ausharren vor dem Handy oder Computer wird sich mit den Jahren negativ auf die Gesundheit“, meinte Herrmann zu zusätzlichen Herausforderungen. Mit entsprechenden Angeboten an Kindergärten versucht die AOK diesem Trend zu begegnen

Nicht glücklich zeigten sich die Gesprächsteilnehmer mit der Ärzteversorgung in der Region. „Es mag vielleicht genügend Ärzte geben, aber Arbeitswelten und -wünsche haben sich verändert. Den Einzelkämpfer, der rund um die Uhr und sieben Tage die Woche für die Patienten zur Stelle war, gibt es nicht mehr“, sagte Thorsten Frei. Einig war man sich allerdings, dass Gemeinschaftspraxen in Ärztehäusern ein recht gutes Modell seien, um allen Wünschen und Anforderungen gerecht zu werden.

Auf den aktuellen Medikamentenengpass und die Pläne der Bundesregierung, diesen zu beheben, hat der AOK-Geschäftsführer einen differenzierten Blick. Zwar waren sich in der Runde alle einig, dass die Entwicklung in den vergangenen Jahren durch Produktionsverlagerungen aus Deutschland und Europa nach Asien keine gute war und zum Teil umgekehrt werden müsse, doch Herrmann kritisierte, dass die aktuelle Diskussion von der Pharmaindustrie in eine falsche Richtung gelenkt werde. „Diese soll nur mehr Geld erhalten, aber nicht in die Pflicht genommen werden. Das ist nicht richtig.“ Die Produktionskapazitäten müssten deutlich erhöht und zum Teil auch wieder in Europa hochgefahren werden, da es derzeit in allen Ländern Medikamenten-Engpässe gebe. Diese hätten auch mit Geld nichts zu tun. „Unsere Rabattverträge, wie es immer wieder von der Pharmaindustrie zu Unrecht lanciert wird, sind nicht schuld an den Engässen. Die Ausfallquote bei diesen Medikamenten liegt bei einem Prozent, bei nicht rabattierten Medikamenten bei vier Prozent.“

Generell müsse man sich anstrengen, dass die Versorgung in Zukunft so bleibe, meinte Klaus Herrmann. „Das System ist nicht chronisch krank, aber es benötigt auch Korrekturen, die wehtun können. Er verwies dabei auf die vor Jahren finanziell abgewertete Grundversorgung zu Lasten der Spezialisierung. Dies habe auch zu den vielfach kritisierten „unnötigen Operationen“ zur Klinikfinanzierung geführt. Er kritisiert aber auch den Bund: „Die Kassen in Baden-Württemberg müssten demnächst wohl nun schon zum zweiten Mal die Defizite in anderen Bundesländern ausgleichen. Das ist nicht richtig und geht zu Lasten unserer Beitragszahler.“ Herrmanns Kritik richtet sich klar gegen die teuren Kliniklandschaften in anderen Bundesländern. Reformen wie in Baden-Württemberg seinen dort überfällig.