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Thorsten Frei berichtet bei katholischer Arminia zu Freiburg über deutsche Interessen in Afghanistan

Auf Einladung der Freiburger katholischen Studentenverbindung Arminia, deren Gründungsgeschichte in das Jahr 1850 zurückgeht und die Mitglied im Cartellverband der 126 katholische Studentenverbindungen ist, berichtete Thorsten Frei im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Vortragsreihe über die Lage in Afghanistan. Im Veranstaltungssaal des Verbindungshauses waren zuvor unter anderem bereits Norbert Blüm  oder Erwin Teufel zu Gast.

Zunächst zeichnete Frei einen Abriss der afghanischen Geschichte, die von der Mitte Neuzeit bis heute viele Parallelen aufweist. Für ihn ist Afghanistan seit jeher Spielball fremder Mächte, die aber immer auch ihren Untergang oder Niederlagen im Land am Hindukusch erlebten. Deshalb wird das Land auch als „Graveyard of Empires“ bezeichnet. Die Geschichte wiederholt sich dabei immer wieder. Herrscher regieren meist nur indirekt. Sie kontrollieren die Zentren und maximal die Verkehrsrouten. Früher gab es oft Könige, die ihre Macht nur am Ort des stehenden Heeres ausüben konnten. Heute reicht die Macht der Regierung auch kaum über Kabul hinaus. Seit 1979 befindet sich Afghanistan in einem permanenten Bürgerkriegszustand.

Daran anschließend skizzierte der Bundestagsabgeordnete das breite deutsche Engagement in Afghanistan. Am sichtbarsten ist für ihn sicherlich der Einsatz der Bundeswehr, die sich im Rahmen der  internationalen Unterstützungsmission „Resolute Support“ am Aufbau und der Stärkung der afghanischen Sicherheitskräfte beteiligt. „Dabei geht es um Hilfen bei der Erstellung eines permanenten Lagebildes, um Unterstützung bei der Führungskräfteausbildung, um den schnellen Verwundetentransport samt Erstversorgung und aus deutscher Sicht natürlich auch um den Schutz eigener Kräfte“, so Frei. Das derzeitige Mandat umfasst zu 980 Soldaten und ist bis zum 31.3.2018 begrenzt. Die Kosten des Bundeswehreinsatzes belaufen sich pro Jahr auf etwa 300 Mio. EUR.

Die Bundeswehr ist aber nur ein kleiner Teil unserer Hilfen, betonte Thorsten Frei. Deutschland hat sich schließlich verpflichtet, bis 2020 1,7 Mrd. EUR für Entwicklungshilfe auszugeben. Das sind 430 Mio. EUR jährlich. Damit ist Deutschland nach den USA der zweitwichtigste Geber. „Dass unsere Hilfe Früchte trägt, lässt sich an vielen Indikatoren ablesen. So ist die Zahl eingeschulter Kinder von 1 Million in 2002 auf über 9 Millionen heute angestiegen. Während 2003 nur 34.000 Afghanen studierten, sind es heute 262.000 junge Menschen. Die Lebenserwartung ist von etwa 56 auf 64 Jahre im Zeitraum unserer Aktivitäten  gestiegen, während sich die Müttersterblichkeit im gleichen Zeitraum halbiert hat“, unterstreicht Thorsten Frei einen Teil der positiven Entwicklungen.

Afghanistan ist für ihn „seit 2001 von der Steinzeit ziemlich weit nach vorn katapultiert worden“ durch die Hilfe von außen. An vielen einzelnen Beispielen lässt sich feststellen, dass es den meisten Menschen heute persönlich deutlich besser geht als vor 15 Jahren. Es gibt viel Licht, aber eben auch viel Schatten. Der größte Lichtblick ist sicherlich die große Masse junger Menschen, die in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmtheit leben will. Große Probleme gibt es aber nach wie vor beim Staatsaufbau, der großen Korruption und beim fehlenden Vertrauen der Menschen in Regierung und Verwaltung, was in der Summe zur Stärke der Taliban führt. Zu Beginn des Einsatzes gab es die westliche Illusion, man könne in Afghanistan eine Demokratie nach westlichem Muster einführen. Dies ist aufgrund kultureller und religiöser Besonderheiten jedoch gescheitert, genauso wegen der großen Komplexitäten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, im regionalen Umfeld und der internationale Situation. Auf allen Ebenen gibt es eine Vielzahl von Akteuren mit teils undurchsichtigen, teils diametralen Interessen und teils dem fehlenden Interesse an Frieden im Land

Trotz jährlicher milliardenschwerer Unterstützungen durch die internationale Gemeinschaft gehört das Land weltweit zu den Schlusslichtern bei allen relevanten Felder aus den Bereichen Gesellschaft und Wirtschaft. Es ist bisher aufgrund der großen Korruption, der schwachen Regierung und fehlender Sicherheit nicht gelungen, die Wirtschaft anzukurbeln und den Menschen persönliche Perspektiven aufzuzeigen. Dies ist verkürzt gesagt auch der Grund, warum die Taliban noch immer Rückhalt in der Bevölkerung finden, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung ihre tradierten Handlungs- und Denkweisen ablehnen.

Aus Sicht von Thorsten Frei wäre es aber fatal, wenn die internationale Gemeinschaft das Land von jetzt auf hier verließe. Aus deutscher Sicht sprächen unsere eigenen Interessen gegen einen solchen Entschluss. Die Bekämpfung von Terror, die Reduzierung von Flüchtlingsströme durch Fluchtursachenbekämpfung, die Eindämmung des Opiumanbaus, die Stärkung von Stabilität in einer instabilen Nuklearregion, die Glaubwürdigkeit des Westens und natürlich auch wirtschaftliche Aspekte als Exportweltmeister spielen eine wichtige Rolle. Deshalb zeigte sich Thorsten Frei am Ende überzeugt, dass Deutschland in Afghanistan substanzieller weitermachen muss. „Den Krieg dort können wir nicht gewinnen. Entscheidend ist der politische Friedensprozess unter Einbeziehung Chinas, Indiens und Pakistans. Deutschland könnte noch mehr als Vermittler auftreten. Wir müssen aber sicherlich weitere 10 bis 20 Jahre vor Ort für die Stärkung des Staatsgerüsts eintreten. In dieser Zeit wird die Jugend in entscheidende Positionen rücken, was eine große Chance ist.“