Warum die Migrationspolitik der Ampel unsere Demokratie untergräbt

Zum Ende des Jahres 2023 hat Thorsten Frei noch einmal den Blick auf die Migrationsherausforderungen in Deutschland gerichtet und dabei ein Bild gezeichnet, wonach nicht nur die Kapazitäten in Bezug auf Wohnraum, Schulen oder die medizinische Versorgung überlastet sind, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz rasant sinkt. Dieser Gastbeitrag ist in FOCUS und THE ECONOMIST erschienen.

Von Thorsten Frei
Schrottreife Boote mit unzähligen Menschen an Bord stechen Tag für Tag an der nordafrikanischen Küste in See. Viele junge Männer, aber auch Frauen und Kinder setzen ihr Leben aufs Spiel, um sich nach Europa durchzuschlagen. Sie folgen den verheißungsvollen Rufen ihrer Verwandten und Bekannten, die über ähnliche Wege ihr Glück im Norden versuchten. Oder sie glauben an die Erzählungen in ihren Heimatländern, dass in Europa bleiben kann, wer es einmal nach Europa geschafft hat.
Tausende Menschen sind auf diesen waghalsigen Überfahrten ertrunken, und niemand vermag auch nur grob einzuschätzen, wie viele Opfer der geradezu wahnwitzige Weg durch die Sahara gefordert hat. Der Glaube an ein besseres Leben bringt die Flüchtlinge dazu, viel Geld an Seelenverkäufer zu zahlen, die sie auf illegalen, verschlungenen Routen über die Grenze begleiten.
Seit Jahren scheitert Europa an der Frage, wie sich diese Massenmigration regeln, steuern und begrenzen lässt. Gerade in Deutschland wird in Sonntagsreden der Anspruch hochgehalten, Menschen aus aller Welt helfen zu wollen. Es wird ein Recht ins Schaufenster gestellt, das möglichst nicht in Anspruch genommen werden soll. Und erst langsam wächst die Erkenntnis, dass die gut gemeinten Hilfestellungen weder für die Ankommenden noch für die angestammte Bevölkerung gut gemacht sind. Mehr noch: Gerade aus dem politischen Raum ist häufig das Eigenlob zu hören, dass Deutschland eine großartige Asylgesetzgebung habe, die politisch Verfolgten aus aller Welt die Hand reiche. Nur mit der Realität hat dieser Anspruch wenig gemein.
Etwa 100 Millionen Menschen aus Afghanistan, dem Irak und Syrien hätten – theoretisch – gute Chancen, einen Schutzstatus in Deutschland zu erhalten. Zugleich unternimmt Europa aber einiges, um diesen Anspruch möglichst nicht erfüllen zu müssen. Man verhandelt mit jedem Land entlang der Fluchtrouten – egal ob mit mustergültigen Demokraten oder umstrittenen Autokraten –, um Mittel zu finden, Menschen davon abzuhalten, nach Europa zu gelangen. Eine scheinheilige Strategie, die die Allerschwächsten davon abhält, sich auf den Weg zu machen. Wer allerdings körperlich kräftig genug und risikofreudig ist, der versucht es. Jährlich gelingt es Hunderttausenden, sich nach Europa durchzuschlagen. Das können wir nicht länger hinnehmen.
Das Verständnis für diese ebenso chaotische wie illegale Masseneinwanderung sinkt in Deutschland und Europa. Mehr noch: Die Unfähigkeit der Politik, dieser Herausforderung mit klaren Regeln zu begegnen, untergräbt das Vertrauen in Staat und Gesellschaft. Die Untätigkeit stärkt die extremen Parteien, untergräbt das Fundament unserer Demokratie.
Die Grenzen der Belastbarkeit sind erreicht. Unabhängig von der Arbeitsmigration kamen 2023 etwa eine halbe Million Flüchtlinge nach Deutschland – nachdem bereits im Vorjahr mehr als eine Million allein aus der Ukraine und zusätzlich rund 250000 Asylbewerber untergebracht werden mussten. All diese Menschen kommen in einem Land an, in dessen Ballungsräumen die Wohnungen schon lange knapp sind, wo es auf dem Land selbst für die Einheimischen schwierig ist, Arzttermine zu bekommen. Ganz zu schweigen von der angespannten Situation an den Schulen.
Es ist offensichtlich, dass die große Zahl an irregulären Zuwanderern keineswegs eine Lösung für den Facharbeitermangel ist. Die Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit sind ernüchternd: Etwa die Hälfte der arbeitsfähigen Afghanen, Syrer und Iraker erhalten Sozialleistungen, obwohl viele von ihnen sich bereits seit Jahren hierzulande aufhalten. Und auch der Anteil der Ukrainer, die sozialversicherungspflichtig tätig sind, ist deutlich geringer als in EU-Nachbarstaaten.
Wenn die Akzeptanz in der Bevölkerung erhalten bleiben soll, Menschen zu helfen, die in anderen Ländern politisch verfolgt werden, muss diese Untätigkeit und Unfähigkeit enden. Die Bundesregierung muss endlich das Heft des Handelns in die Hand nehmen, auch um das Vertrauen der Menschen in die Funktionsfähigkeit des Staates zurückzugewinnen. Es braucht eine Kurskorrektur, damit wieder Ordnung und Begrenzung in die Migrationspolitik einzieht. Dazu können vor allem Asylverfahren in sicheren Drittstaaten beitragen, kurzfristig der Stopp der freiwilligen Aufnahmeprogramme, die Aussetzung des Familiennachzugs und selbstverständlich die überfällige Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten, die seit Jahren an den Grünen scheitert. Die Mehrheit der EU-Staaten fordert eine Kehrtwende. Nicht irgendwann, sondern jetzt.
Leider verweigert sich vor allem die Bundesregierung der Kooperation in der EU. Der Kanzler hat die aktuelle Migrationskrise erst geleugnet, dann ignoriert und letztlich nur seine Rhetorik verschärft. Damit zeigt sich die Bundesregierung den Herausforderungen nicht gewachsen. Sie versagt.
Quelle: Warum die Migrationspolitik der Ampel unsere Demokratie untergräbt – FOCUS online