Dirk-Oliver Heckmann: Vertiefen können wir das Ganze mit Thorsten Frei von der CDU. Er ist Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Frei!
Thorsten Frei: Schönen guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Frei, Scholz sendet ein klares Signal. Schwere Straftäter und terroristische Gefährder sind abzuschieben, auch nach Afghanistan
oder Syrien. Stellt Sie das zufrieden?
Frei: Das ist jedenfalls ein klarer Schritt in die richtige Richtung. Das gleiche gilt ja für Signale, die man aus der SPD und auch aus der FDP-Fraktion hören kann. Es ist sozusagen ein Rendezvous mit der Realität, die
Herausforderung, die sich hier stellt, tatsächlich anzunehmen, so wie es andere europäische Länder auch tun. Die Frage, die sich jetzt insbesondere beim Bundeskanzler stellt, ist: Welche Konsequenzen zieht er daraus? Er hat ja bereits im vergangenen Herbst angekündigt, in einem größeren Stil abschieben zu wollen. Tatsächlich ist das nicht passiert und deswegen stelle ich mir jetzt die Frage, folgen diesen Ankündigungen auch
tatsächlich Taten, wie man es von einem Regierungschef eigentlich auch erwarten können müsste.
Heckmann: Aber, Herr Frei, kann es sein, dass wir derzeit eine Debatte erleben, die mehr durch die anstehenden Wahlen getrieben ist als durch die Sache? Denn jeder weiß: Abschiebungen auch schwerer Straftäter in
Länder wie Afghanistan oder Syrien sind mit erheblichen Hürden verbunden. Deutschland ist völkerrechtlich dazu verpflichtet, nicht in Länder abzuschieben, wo Tod und Folter drohen, Stichwort Refoulement-Verbot, festgelegt in der europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention. Wollen Sie ernsthaft, dass Deutschland aus solchen Verpflichtungen aussteigt?
Frei: Nein! Das Non-Refoulement-Gebot, das in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert ist, ist immer eine Schranke im Migrationsrecht und
das findet übrigens seine Entsprechung in unserem Grundgesetz, nämlich in Artikel eins, Absatz eins, die Würde des Menschen ist unantastbar.
Selbstverständlich muss das berücksichtigt werden.
Aber wenn Sie sich beispielsweise das Land Afghanistan anschauen: Da haben wir eine Gesamtschutzquote der Migranten, die liegt bei 74 Prozent.
Wir haben Urteile, etwa vom Oberverwaltungsgericht in Hamburg oder auch vom Verwaltungsgerichtshof in Mannheim, die deutlich machen, dass
grundsätzlich Rückführungen möglich sind und dass junge Menschen, die es geschafft haben, aus Afghanistan nach Deutschland zu fliehen, tatsächlich auch im Land leben können.
Es ist mitnichten so, dass alle, die eine solche Rückführung ermöglichen
können, tatsächlich auch mit einem Abschiebehindernis versehen wären,
und deshalb geht es um eine Einzelfallprüfung.
Heckmann: Also war das Stoppen der Abschiebungen durch CSU-Innenminister Seehofer damals ein Fehler?
Frei: Man muss es immer in der Zeit sehen, in der die Entscheidung getroffen worden ist.
Heckmann: Es war nach der Machtübernahme durch die Taliban.
Frei: Ja, ganz genau, und zwar unmittelbar danach, das heißt in einer Situation, wo bürgerkriegsähnliche Zustände in Afghanistan waren, wo wir
eine völlig undurchsichtige Situation hatten. Wenn man sich Afghanistan……