Gestern war der Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei zum Redaktionsgespräch beim Schwarzwälder Boten. Dabei ist er auf aktuelle Fragen rund um die Regierungsbildung in Berlin eingegangen. Außerdem ging es um wichtige Themen, wie der Migration und der Debatte zur Bürgerversicherung. Sie können das Interview, das Felicitas Schück führte, hier nachlesen.
Frei: „Ich wünsche mir bald eine Regierung“
Schwarzwald-Baar-Kreis – Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei gibt einen Ausblick auf das, was die Bürger von der großen Koalition zu erwarten haben.
Wie finden Sie es, dass es jetzt doch wieder eine große Koalition gibt? Ist das nicht frustrierend für die Bürger, die anderes wollten?
Koalitionen sind nie ein Wunschkonzert sondern immer der Versuch, das maximal Mögliche zu erreichen. Anders als in der letzten Legislaturperiode sind nun nicht mehr vier, sondern sechs Fraktionen im Bundestag vertreten. Das macht die Regierungsbildung schwieriger. Ich hätte mir eine Jamaika-Koalition mit der FDP und den Grünen gewünscht. Dies hätte es uns ermöglicht, in zentralen Zukunftsthemen gute Lösungen für unser Land zu erreichen. Die große Koalition ist da nur die zweitbeste Lösung. Ich weiß angesichts der Tatsache, dass die SPD schon wieder jede Menge rote Linien aufzeigt, nicht, ob es am Ende gelingen wird. Ich finde das ganz schön mutig von einer Partei, die mit etwa 20 Prozent des schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt hat.
Kann die Große Koalition nach Ihrer Einschätzung die Probleme lösen?
Es kommt darauf an, sich auf die richtigen Themen zu verständigen. In der letzten Legislaturperiode haben wir mit der SPD einiges im Bereich Sicherheitspolitik, Bekämpfung der Terrorgefahr und Stärkung der Polizei erreichen können. Auch haben wir mit der SPD die kommunalfreundlichste Regierung aller Zeiten gebildet. Andererseits gab es im Bereich der Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik erhebliche Streitpunkte. Beispielsweise wirkt sich die Rente mit 63 gerade angesichts des Fachkräftemangels in unserer Region verheerend aus.
Wann werden wir eine neue Regierung bekommen? Zu Ostern?
Ich würde mir wünschen, dass das schneller geht. Die Knackpunkte liegen ja auf dem Tisch. Aus meiner Sicht könnten wir schon im Januar eine Regierung bilden. Die SPD hat allerdings ein langwieriges Verfahren mit zusätzlichem Parteitag und Mitgliederbefragung gewählt.
Woran ist aus Ihrer Sicht Jamaika gescheitert?
Natürlich waren die Sondierungsgespräche schwierig. Wenn man allerdings bedenkt, dass man sich in einer Koalition nie vollständig durchsetzen kann, hätten wir in einer solchen Konstellation viel erreichen können. Das gilt etwa für den Bereich der Familienpolitik, die gleichwertigen Lebensverhältnisse von Land und Stadt, Digitalisierung oder die Steuerpolitik. Und selbst in der Migrationspolitik hätte ich Chancen für eine vernünftige Einigung gesehen. Gerade mit der FDP hätten wir gute Lösungen hingekriegt. Ich glaube nicht, dass deren Wähler es goutieren, dass die FDP, anstatt in der Regierung zu gestalten, nun von den Oppositionsbänken aus zusehen wird.
Strittig ist das Thema Familiennachzug
Als CDU und CSU haben wir uns auf ein Regelwerk verständigt, das berücksichtigt, dass die Integration von Migranten auch eine Frage der Quantität ist. Daher ist für uns wichtig, dass die humanitäre Migration in Form eines so genannten „atmenden Deckels“ auf ungefähr 200.000 Menschen pro Jahr beschränkt wird. Für den Wunsch nach Familiennachzug habe ich persönlich großes Verständnis. Allerdings soll dieser ja nur für subsidiär Schutzbedürftige eingeschränkt bleiben. Diese Menschen müssen in ihre Herkunftsländer zurück, sobald es die Situation dort erlaubt. Innerhalb dieser Leitplanken sollte ein Kompromiss mit der SPD möglich sein.
Wie sollten wir Ihrer Meinung nach mit Asylbewerbern umgehen, die straffällig geworden sind?
Hier muss eine konsequente Abschiebung erfolgen. Beispielsweise haben wir nun schon zum achten Mal in diesem Jahr Straftäter nach Afghanistan abgeschoben. Aber auch insgesamt gilt: Es ist nicht akzeptabel, dass es aktuell 65.000 vollziehbar abschiebbare Fälle gibt, andererseits aber nur wenige 100 Abschiebehaftplätze zur Verfügung stehen. Hier müssen insbesondere die Länder schnell nachsteuern.
Auch das Thema Bürgerversicherung entzweit?
Bürgerversicherung hört sich zunächst einmal gut an. Allerdings sorgt das System von privater und gesetzlicher Krankenversicherung für mehr Wettbewerb, Innovation und Qualität. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass nur etwa zehn Prozent der Menschen in der privaten Krankenversicherung organisiert sind, diese aber 25 Prozent der Kosten im Gesundheitssystem finanzieren. Davon profitieren insbesondere die niedergelassenen Arztpraxen. Ich befürchte das bei Abschaffung der privaten Krankenversicherung vor allem viele Arztpraxen im ländlichen Raum schließen müssten. Dort, wo es die Einheitskasse gibt, etwa in Großbritannien, sind die Ergebnisse schlecht. Gerade dort gibt es eine Zwei-Klassen-Medizin.
Welche Herausforderungen gilt es in den nächsten Jahren gemeinsam zu lösen?
Wenn wir den Blick auf Europa und die Welt richten, sehen wir, dass wir klare und überzeugende Antworten brauchen, um unsere Freiheit und unsere Sicherheit zu verteidigen. In Deutschland gilt es insbesondere die Folgen der demografischen Veränderungen unserer Gesellschaft klug zu gestalten. Dabei ist die Rente das wichtigste, aber beileibe nicht das einzige Thema. Darüber hinaus müssen wir uns um die Stärkung von Bildung, Forschung, Innovation und Digitalisierung als Grundlagen unseres Wohlstands von morgen kümmern.
In welchen Ausschüssen des Bundestags werden Sie zukünftig sein?
Unabhängig von der Regierungsbildung werden wir im Januar die 22 Ausschüsse des Bundestages bilden. Ich würde gerne meine Arbeit im Auswärtigen Ausschuss und dem Europa-Ausschuss fortsetzen.
Die Konjunktur läuft gut. Wird das auch 2018 so bleiben?
Vieles spricht dafür. Die Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute sind sehr gut. Bereits seit acht Jahren profitieren wir nun von einer starken Konjunktur.
Was sagen Sie zur Regierungsbildung in Österreich?
Die haben es schneller geschafft als wir. Nachdem Österreich in den vergangenen Jahrzehnten meist eine große Koalition hatte, haben im Vorfeld der Wahlen sowohl ÖVP als auch SPÖ angekündigt, auch eine Koalition mit der FPÖ bilden zu wollen. Beispielsweise im Burgenland regiert heute schon die SPÖ mit der FPÖ. Wir werden weiter gut mit Österreich zusammenarbeiten.
Wäre in Deutschland eine CDU/AfD-Koalition denkbar?
Nein. Die Situation ist überhaupt nicht vergleichbar.
Sie sind auch CDU-Kreisvorsitzender. Was haben Sie 2018 vor?
2018 wird aller Voraussicht nach ein wahlfreies Jahr sein. Deshalb wollen wir die Zeit nutzen, um unsere inhaltliche und programmatische Arbeit voranzutreiben. Aber auch kurzfristig möchte ich, dass die Partei auch im Schwarzwald-Baar Kreis in die Überlegungen zur Bildung einer Regierung in Berlin einbezogen wird. Die Mitarbeit in einer Partei ist dann attraktiv, wenn Mitglieder auch tatsächlich Mitsprache- und Einflussmöglichkeiten haben. Dies möchte ich in den Mittelpunkt meiner Arbeit stellen.
Was wünschen Sie sich für 2018?
Dass wir möglichst schnell eine handlungsfähige Regierung bekommen und eine möglichst gute Arbeit für die Menschen in unserem Land machen können.