Im Zusammenwirken mit der Konrad-Adenauer-Stiftung konnte ich kürzlich mit Bashir Kodhr, Gouverneur der größten libanesischen Region Balbeek-Hermel an der Grenze zu Syrien, in meinem Berliner Büro über die Flüchtlingssituation vor Ort sprechen.
Von den fast eine Million syrischen Flüchtlingen im Libanon befinden sich mehr als 360.000 Syrer in den UN-Flüchtlingscamps in der Region der Bekaa-Ebene. Von den schwierigen Bedingungen und der hervorragenden Arbeit der dort tätigen UN-Organisationen konnte ich mir bei meiner Dienstreise im August dieses Jahres persönlich ein Bild machen.
Im Umkehrschluss bedeuten diese Zahlen, dass auf jeden sechsten libanesischen Bürger ein syrischer Flüchtling kommt. Damit sind die Flüchtlingsherausforderungen in keinem Land der Welt so groß wie in Libanon. Und dieser Umstand wird sich in Naher Zukunft auch nicht ändern. Denn die Möglichkeit der Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien selbst aus unmittelbarer Nachbarschaft ist schwierig. Diktator Assad will keine politischen Widersacher zurücknehmen. Gleichzeitig ist die Attraktivität der Rückkehr in ein zerstörtes Land trotz des Tag für Tag wachsenden und schon jetzt immensen gesellschaftlichen Drucks in Libanon für die Menschen höchst unattraktiv.
Bashir Kodhr versicherte mir, alles in seiner Macht stehende zu tun, um den syrischen Flüchtlingen mit dem Nötigsten zu helfen. Doch auch die Situation für die Libanesen in ihrem eigenen Land sei nicht einfach. Geflüchtete Syrer arbeiten unterhalb der üblichen Arbeitsbedingungen, wodurch viele Libanesen ihren Arbeitsplatz verloren haben sollen. Diese Entwicklung wird dadurch verstärkt, dass viele der syrischen Flüchtlinge in Gegenden im Libanon Zuflucht gefunden haben, in denen zuvor bereits Armut vorherrschend war.
Für mich ist klar, Armut und Perspektivlosigkeit sind die Hauptfaktoren für die Radikalisierung von Menschen. Dem müssen wir entschieden etwas entgegensetzen und uns insgesamt mehr in der Region engagieren.