Interview in der Rhein-Neckar-Zeitung:
Der CDU-Politiker Thorsten Frei plädiert für Steuerentlastungen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union schließt härtere Sanktionen gegen Russland nicht aus.
Von Alexander Rechner
Berlin. CDU-Politiker Thorsten Frei (48) ist der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsbundestagsfraktion.
Herr Frei, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will vorerst an russischen Öl- und Gas-Importen festhalten. Findet das Ihre Unterstützung?
Die massiven Sanktionen von Deutschland und Europa sind völlig richtig. Angesichts des heimtückischen Überfalls Russlands auf seinen friedlichen Nachbarn, die Ukraine, müssen wir schnell reagieren. Sicherlich müssen auch weitere Wirtschaftssanktionen im Blick behalten werden. Aber die hohe Energie- und Stromabhängigkeit Deutschlands und Europas von Russland spielt dabei auch eine Rolle. Aus diesem Grund müssen wir klug vorgehen. Ich halte es grundsätzlich für richtig, die Sanktionen schrittweise umzusetzen.
Schrittweise heißt?
Die massiven Sanktionen werden Zeit benötigen, um eine Wirkung zu entfalten. Gleichwohl wirken sie an vielen Stellen schon heute. Aber nicht nur in Russland, sondern leider auch bei uns. Das spüren die Menschen, wenn sie an den Zapfsäulen tanken. Ich will aber nicht ausschließen, dass wir zu noch härteren Maßnahmen greifen müssen.
Die Energiepreise explodieren gerade. Was erwarten Sie von der Bundesregierung?
Bereits im Februar haben wir als CDU/CSU-Fraktion einen Antrag in den Bundestag eingebracht, wie Energiepreise gesenkt werden können. Etwa durch ein früheres Ende der EEG-Umlage oder durch eine Senkung der Mehrwertsteuer. Der Antrag ist im Bundestag abgelehnt worden. Nichtsdestotrotz hat die Bundesregierung die allermeisten Punkte von uns nun übernommen. Sie sollen wohl noch in dieser Woche im Kabinett beschlossen werden. Das wäre eine Entlastung im Volumen von gut vier Milliarden Euro. Das geht in die richtige Richtung, reicht aber bei Weitem nicht aus. Die Menschen brauchen eine Entlastung.
Und was fordern Sie noch?
Die stark gestiegenen Energiepreise führen auch zu erheblichen Mehreinnahmen beim Staat. Das halte ich für problematisch. Zum einen sollte in dieser Situation die Pendlerpauschale deutlich erhöht werden, zum anderen müssen alle Steuerthemen geprüft werden, die die Menschen sofort in ihren Geldbeuteln spüren.
Die Ukrainer fordern: Helft uns mehr. Zahlreiche Demonstranten fordern: Tut mehr. Müssen wir mehr Waffen liefern?
Auch wenn wir als Unionsfraktion sehr früh die Forderung erhoben haben, die Ukraine auch mit Defensivwaffen auszustatten, muss man vorsichtig vorgehen. Deutschland darf nicht zur Kriegspartei werden. Wir stehen ohne jeden Zweifel an der Seite der Ukraine. Zugleich müssen wir aufpassen, keinen Beitrag zu einer weiteren Eskalation zu leisten. Für die Zukunft will ich aber nichts ausschließen.
Ukrainer fordern eine Flugverbotszone: Sollte die Nato eine solche über der Ukraine einrichten?
Ich unterstütze die Entscheidung der NATO. Wir dürfen nicht vergessen: Eine solche Flugverbotszone über der Ukraine müsste auch durchgesetzt werden. Also müssten deutsche oder italienische oder britische Flugzeuge diese dann gegen russische Kampfjets verteidigen. Mit diesem Schritt würde die NATO in diesen Krieg hineingezogen werden.
Ihr Fraktionschef Friedrich Merz sprach von einem „Scherbenhaufen“ in der Außen- und Sicherheitspolitik. Hat Angela Merkel einen solchen hinterlassen?
Die Außen- und Sicherheitspolitik wird immer von der kompletten Regierung gestaltet – und eben nicht von der Kanzlerin oder dem Kanzler allein. Allerdings haben wir in den vergangenen Jahrzehnten die Friedensdividende nach dem Fall des Eisernen Vorhangs aufgebraucht. Wir haben uns sehr stark auf Diplomatie und zivile Krisenprävention konzentriert. Dies ist grundsätzlich nicht falsch, aber wir sehen nun, dass es bei Wladimir Putin nicht reicht. Die Diplomatie benötigt auch eine glaubwürdige Abschreckung durch ein starkes Militär.
Für Heeresinspekteur Alfons Mais ist die Bundeswehr aber jahrelang vernachlässigt worden.
Wir haben es leider in den vergangenen Jahren nicht geschafft, unsere Bundeswehr auf einem hohen Niveau zu halten. Und das ist sicherlich eine Verantwortung von uns allen, die in dieser Zeit Mitverantwortung getragen haben. Aber die Union hat in den vergangenen Jahren regelmäßig verlangt, dass die Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden. Diese Forderung ist am Koalitionspartner SPD und zwischen 2009 und 2013 auch an der FDP gescheitert. Das war ohne Zweifel ein Fehler, der jetzt korrigiert werden muss. Daher ist der Vorschlag von Olaf Scholz, ein Sondervermögen Bundeswehr einzurichten, auch grundsätzlich richtig.
Die Union hat Unterstützung für die Reformen der Bundeswehr zugesagt. Was erwarten Sie von der Ampel?
Wir orientieren uns an dem, was der Bundeskanzler in der Sondersitzung des Bundestags vorgestellt hat. Das Sondervermögen für die Bundeswehr unterstützen wir. Das bedeutet dann aber eben auch, dass der komplette Betrag von 100 Milliarden Euro ausschließlich für die Bundeswehr zur Verfügung stehen muss. Alle anderen Ideen aus der Koalition, die nur der Umgehung der Schuldenbremse dienen, sind mit uns nicht zu machen.
Die UN geht von zwei Millionen Ukraine-Flüchtlingen aus. Wie kann da mehr geholfen werden?
Dies ist eine humanitäre Katastrophe. Zu uns kommen vor allem Frauen mit Kindern, die Schutz suchen. Wir müssen diesen Menschen schnell helfen, auch medizinisch gut versorgen. Darüber hinaus müssen die Kinder in die Schule gehen, auch das muss schnell geregelt werden. Deshalb schlagen wir vor, dass der Bund noch in dieser Woche einen Krisenstab einsetzt, der alle Hilfsmaßnahmen in Abstimmung mit den Ländern koordiniert.