Regierung bringt Jobcenter finanziell in Bedrängnis

Das Bürgergeld hat Hartz IV zum Jahresbeginn abgelöst. Mit diesem Schritt hat die Ampel begonnen das Sozialsystem zu reformieren. Diese Reform bezieht sich nicht nur auf mehr Geld für Leistungsempfänger – der Regelsatz für Empfänger ist um 53 Euro gestiegen. Letztere sollen stärker gefördert werden, aber auch mehr Freiheit und Vertrauen erfahren. Die Umsetzung ist aber mit Problemen verbunden, da parallele Eingliederungsleistungen nach und nach gekürzt werden und die betroffenen Jobcenter in finanziell prekäre Lagen bringen. Über dieses Thema sprach Thorsten Frei mit Sylvia Scholz, Chefin der Agentur für Arbeit in Villingen-Schwenningen, mit Mike Kalinasch, Leiter des Jobcenters im Hause, und Simone Zeller, Leiterin des Jobcenters Rottweil, das zum Arbeitsagenturbezirk zählt. 
Der Bundeshaushalt 2024 sieht in mehreren Bereichen Kürzungen für Arbeitsagentur und Jobcenter vor. Diese könnten sich für ein einzelnes Jobcenter auf mehrere Hunderttausend Euro addieren. Das beiße sich mit der Erfüllungsanforderung, meint Sylvia Scholz: „Die Kürzungen der Eingliederungsleistungen ist ein Widerspruch zum Gedanken der Stärkung der Förderung mit Einführung des Bürgergelds.“ Vor allem seien die Zusatzaufgaben durch den um 40 Prozent gestiegenen Zulauf mit Menschen aus der Ukraine finanziell nie ausgeglichen worden, ergänzte Simone Zeller. Die Problematik werde zudem verschärft durch höhere Verwaltungskosten, bedingt durch Tariferhöhungen oder höhere Mieten. Ein Ausgleich sei aktuell lediglich durch Umschichtungen zu Lasten des Beratungsbudget möglich. Erschwert werde das Ganze, so Mike Kalinasch, dass die Industrie inzwischen großen Wert auf deutsche Sprachkenntnisse lege. Die Arbeit sei komplexer geworden und hierfür seien Basiskenntnisse erforderlich. Dies mache eine schnelle Vermittlung nicht einfacher.
Thorsten Frei bezeichnete es als töricht, die Eingliederungsmittel zu kürzen. Wir haben 1,9 Millionen offene Stellen bei 5,5 Millionen Sozialleistungsempfängern, darunter 2,5 Millionen, die sofort arbeiten könnten. Falsch sei angesichts dieser Zahlen auch das Signal der Ampel, dass wir jede Form der Zuwanderung bräuchten. „Wir benötigen Migration in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Transfersysteme. Auch von Migration in den Niedriglohnsektor profitieren möglicherweise die Unternehmen, nicht aber die Gesellschaft im Ganzen.
Zu den erforderlichen Deutschkenntnissen meinte Frei: „Die Sprachkurse für alle zu öffnen, also auch für jene ohne Bleibeperspektive, halte ich ebenso für falsch, da die Wartezeiten auf einen Deutschkurs ohnehin sehr lange sind und auch falsche Signale in die Herkunftsländer, wenn Abgelehnte mit Deutschkenntnissen, dann doch eine Arbeit finden und bleiben dürfen.“
Die hohe Arbeitsbelastung wirke sich inzwischen auch auf das Personal negativ aus. „Wir bekommen kaum noch neue Mitarbeiter, die Krankenstände steigen und die Ausfälle werden länger“, schilderte Sylvia Scholz die sich verschärfende Situation und forderte vom Simone Zeller und Mike Kalinasch eine deutliche Aufstockung der Budgets, um die Existenz einzelner Jobcenter nicht zu gefährden.
Thorsten Frei bedankte sich abschließend für die Ausführungen, die im Hinblick auf die Haushaltsberatungen im September sehr hilfreich seien.