Porträt im Reutlinger Generalanzeiger

Kürzlich ist ein Porträt von Thorsten Frei im REUTLINGER GENERAL ANZEIGER erschienen. 
Quelle: https://reutlinger.reader.e-pages.pub/reutlinger/3438/


Thorsten Frei aus Donaueschingen schaffte es in wenigen Jahren in den inneren Zirkel der CDU-Mächtigen
VON ULI FRICKER
Journalisten und Reporterinnen lieben Homestorys. Bei der Homestory besucht der Schreiber eine prominente Person zu Hause auf. Dort erhält man eine Tasse Kaffee, man betrachtet die Einrichtung, lobt die Haustiere und das familiäre Umfeld, so weit vorhanden. Aus dem Hausbesuch wachsen oft spannende Insider-Geschichten. Die Erkenntnis fällt dem visitierenden Journalisten in den Schoß, wenn er nur genau hinschaut. Auch mit Thorsten  Frei wollte der Verfasser dieser Zeilen in dessen vier Wänden in Donaueschingen sprechen, um verschämt hinter oder mindestens: in diesen smarten Politiker zu schauen. Nun, daraus wird nichts. Frei lehnt den Hausbesuch ab. Seine Frau Viktoria sowie die drei Kinder (10, 12, 14) hält der CDU-Mann von der Politik fern. »Privat ist privat«, sagt er, und damit ist die Sache schon mal klar.
Wir treffen uns also nicht im Wohnzimmer, sondern im Eiscafé Vivaldi, das auch sehr familiär ist. Im Hintergrund plärrt ein Italo-Sender, Müttern mit Kindern bevölkern die schlauchförmige Eisdiele. Ein Kind plärrt, während der Vater heftig auf sein Handy einredet. Kellner Pasquale zwinkert Thorsten Frei zu. Er ist bekannt und muss keine Visitenkarten verteilen. Häufig nicken ihm die Leute zu, wenn er durch die Straßen schlendert. Der ehemalige OB hat sich einen guten, sogar sehr guten Ruf erworben. Man müsste sich schon künstlich und lange umhören, um Schlechtes zu erfahren. Viele verbinden mit seinem Namen die gründliche Sanierung und teilweisen Neubau der Donauhallen. Neue Technik, große Eingänge, ein schickes Foyer –die kleine Stadt hat eine Stadthalle hingestellt, von der andere nur träumen. Der Moderator dieses Wunders: Thorsten Frei. Er sagt auch: Die Kosten blieben im Plan.
»Ich will politisch gestalten. Das setzt Macht voraus«
Sanieren und Renovieren bleibt seine Aufgabe –inzwischen auf bundesweiter Ebene. Vom Jugendstil-Rathaus an der Donau hat ihn der Lift seiner Karriere an die Hebel der Bundespolitik gehoben. Frei, eben 50 Jahre alt geworden, gehört als 1. Parlamentarischer Geschäftsführer (1. PGF) der Unions-Fraktion zu den wichtigsten Leuten im Parlament. Als 1. PGF ist er die rechte Hand von Friedrich Merz, der ihm weitgehend freie Hand lässt. Er kann politisch agieren, markante Punkte setzen und sich medial in Szene setzen. Was er überaus geschickt macht. Ein sanfter Konservativer mit milden braunen Augen, aber bissfestem Kern. Es zahlte sich aus, dass der Donaueschinger zu den frühen Merz-Wählern zählte, als dieser zunächst gegen Annegret Kramp-Karrenbauer, dann gegen Armin Laschet unterlag. Treue zahlt sich aus.
Sein Job ist diffizil. Mehr als 300 Mitarbeiter sind für die Fraktion aus CDU und CSU tätig. Der 1. Geschäftsführer ist Torwart (er soll die Kiste sauber halten), Vermittler, Personaler. Er regelt mit den Geschäftsführern die Liste derer, die das begehrte Rederecht erhalten. Er antichambriert, interveniert, registriert, teilt Büros zu.
Thorsten Frei reicht das Schmieren der parlamentarischen Räderwerks nicht. Er sieht sich nicht als Hausmeister, der brav die Maschine ölt, mit der andere abheben. Der Mann, der so bescheiden auftritt, zeigt einen klar erkennbaren Machtwillen. Natürlich nennt er das nicht so. Das Wort Macht hat bei denen, die sie anstreben oder innehaben, immer ein Gschmäckle. Etwas Streberhaftes. Gleichwohl genießen die Mächtigen ihren Status, und die Machtlosen stürzen in die Depression. Frei sagt es so: »Ich will politisch gestalten. Und das setzt Macht voraus.«
»Will nicht meine stärksten Jahre auf der Hinterbank verbringen«
Nachdenklich rührt der drahtige Mann in dem Milchkaffee, den Pasquale elegant auf das Tischchen fabriziert. Die Ämter, sagt Frei, seien immer eher zu ihm gekommen, als dass er sich danach gedrängt hätte. Diesen Satz hört man indes oft bei Spitzenpolitikern; auch Erwin Teufel, Ahnvater der CDU, sagte das –und man wusste, dass er sich wohl um gute Positionen bemühte. Frei sagt: »Ich will meine stärksten Jahre nicht auf der Hinterbank eines Parlaments verbringen.«
Es ist erstaunlich, wie schnell der gebürtige Säckinger seinen Platz in Partei und Fraktion gefunden hat. Vor zehn Jahren erst, 2013, wurde er in den Bundestag gewählt. Seitdem steigt er stetig nach oben. Der Mann mit den markanten grauen Schläfen zählt zu denen, die man nicht mehr ignorieren kann.
Erst im Auswärtigen Ausschuss, den er sehr spannend fand nach acht geduldigen kommunalen Jahren. Dann die Innenpolitik, die er zunehmend zum Leib-und- Magen-Thema macht. »Ich bin der Sohn eines Polizisten«, sagt er kokett. Im Hintergrund nickt Kellner Pasquale. Die Wende des Thorsten Frei ereignete sich 2018, als ihn Ralf Brinkhaus in die Ebene der Fraktions-Vizes holte. »Du musst die konservative Flanke abdecken«, habe Brinkhaus damals zu ihm gesagt.
Gemessen an dieser Aufgabenstellung macht Frei alles richtig. Von Friedrich Merz wird erwartet, dass er den konservativen Kern der CDU wieder zum Glänzen bringt. Frei übersetzt das in Vorstöße wie jüngst, als er die geltende Asylpolitik für gescheitert erklärte. »Es hat lange gegärt«, bekennt er im Gespräch. Der CDU-Mann schlägt die Abschaffung des individuellen Asylrechts vor. Das Thema machte Schlagzeilen, mehr noch: Es treibt die Menschen um.
Ist Frei deshalb ein Populist, weil er diese radikale Antworten sucht? Er lehnt diese Zuschreibung mit dem treuherzigen Blick eines Vikars ab. Es sei die natürliche Aufgabe der Opposition, nicht nur zu kritisieren – zumal wenn die Bundesinnenministerin nicht so recht bei der Sache ist. Es geht um Verbesserungen. Sein Paket hat Frei noch bekannter gemacht. Er wanderte durch die Talkshows, behauptet sich. Seine sachliche Art kommt an. Nur bei einem fühlt er sich unwohl. »Lanz lässt einen nicht ausreden«, sagt er. Ansonsten hat Frei sein Fach gefunden. Man kann ihn sich kaum als Fachmann für Wärmepumpen oder Demeter-Landbau vorstellen. Er ist Sheriff, nicht Ackerbauer.
Law-und-Order-Mann, so schimpften einige über ihn –meist jene, die keine Alternative zum bisherigen Umgang mit Zuwanderern haben. Frei lächelt seine Kritiker jungenhaft weg. Worte wie Gesetz und Ordnung gelten etwas bei ihm. Gesetze sind Errungenschaften, keine Krankheiten. Und er weiß, dass die meisten Bürger geordnete Verhältnisse, ruhige Straßen, bekannte Gesichter schätzen. Das Chaos gucken deutscher Michel und deutsche Michaela lieber im Fernseher an. Im eigenen Leben schätzen sie jene unsichtbaren Linien, die für Ordnung stehen.
»Stuttgart? –ich fühle mich in Berlin rundum wohl«
Wäre dieser smarte Mensch nicht sogar der richtige Mann fürs Land? Das fragt sich mancher Wähler, der mit der vergrämten Susanne Eisenmann oder einem Thomas Strobl hadert. Thorsten Frei winkt ab, kaum ist die Frage verklungen. »Ich fühle mich in Berlin rundum wohl«, stellt er klar. Außerdem hat er eine Erfahrung gemacht: Bundespolitiker kommen in Stuttgart nicht unbedingt an, wenn sie zur Zwischenlandung am Neckar ansetzen und die großen Posten abräumen wollen. Dann doch lieber Libero in Berlin.
Manche Frage prallt an dem schlanken Mann ab –wie die Tropfen an dem Eisbecher, den Don Pasquale dem übergewichtigen Kind am Nebentisch serviert. Politiker legen sich früh eine zweite Haut zu, an der Unliebsames außen hängenbleibt. Die zweite Haut hält ab. Auch Frei schützt sich, weicht immer wieder aus. Er ist Hausmeister und Betriebsleiter der Fraktion, nicht deren Chef, nicht Chef der CDU. Das Geheimnis seines Erfolgs dürfte in zwei Eigenschaften liegen: Loyalität und Fleiß.
»Der Markus Lanz lässt einen nicht ausreden«
Sein Arbeitstag in Berlin, so erzählt er, beginnt um 7.30 Uhr. Zuvor war er bereits Laufen, was die fabelhafte Figur des Mannes erklärt, der vor allem eine sitzende Tätigkeit hat. Gegen Mitternacht ist dann Schluss mit der Arbeit. »Was soll ich auch sonst tun«, fragt er treuherzig. In der Berliner Wohnung mit 35 Quadratmeter sitzen? Theater, Kino, Fußball kommen für ihn nicht in Frage. Er wühlt sich in die Akten hinein. Sein Jura-Studium ist da sicherlich eine Hilfe. Und noch eines: Er hat ein gutes Gedächtnis. (GEA)