Kürzlich ist ein Interview von Thorsten Frei zu den Herausforderungen für den Wirtschaftsstandorts Deutschland im Mittelstandsmagazin der MIT – Mittelstandsvereinigung erschienen. Die Fragen stellte Fabian Wendenburg.
Mittelstandsmagazin: Herr Frei, als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind Sie der „Fraktionsmanager“. Wie ist Ihr Selbstverständnis in dieser Rolle in der größten Oppositionsfraktion?
Thorsten Frei: Eine Opposition muss von der Regierung unterscheidbar sein. Unsere Aufgabe ist es deshalb, eine klare politische Alternative zur bestehenden Regierungsmehrheit zu unterbreiten. Wir dürfen uns nicht im „Nein“ und „Dagegen“ erschöpfen, sondern wir müssen konkurrierende Entwürfe anbieten und diese dann in einer klaren, eindeutigen und verständlichen Sprache vortragen. Dazu möchte ich einen Beitrag leisten.
Mittelstandsmagazin: Gibt es aus Ihrer Sicht Erfolge in der Opposition, so dass Sie sagen können: Opposition wirkt?
Thorsten Frei: Da kann ich deutlich „Ja“ sagen. Wir haben wichtige Erfolge erzielt. Das fängt an mit der Verhinderung der Impfpflicht und geht weiter über die Beendigung der Gasumlage. Wir haben das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr mitgestaltet und die Koalition Ende April 2022 zu Waffenlieferungen an die Ukraine regelrecht gezwungen. Man muss sich daran erinnern, wie zurückhaltend der Bundeskanzler damals war. Ein weiteres Beispiel ist das Bürgergeld, das wir in einem großen Vermittlungsverfahren deutlich korrigieren konnten. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass die FDP einem Gesetz der SPD und Grünen zur Mehrheit verhilft, das den Geist des bedingungslosen Grundeinkommens atmet. Liberalismus in Deutschland, das war einmal Leistungsgerechtigkeit; das war einmal Subsidiarität; das war einmal der Gedanke: Die Gesellschaft hilft denen, die sich selbst nicht helfen können, aber nicht denen, die sich selbst gar nicht helfen wollen.
Doch zurück zur Opposition. Wichtig ist: Wir beschäftigen uns nicht nur mit Vorschlägen aus der Regierung, sondern arbeiten konzeptionell nach vorne. So haben wir eine umfassende China-Strategie und einen Vorschlag für eine grundlegende Bahnreform vorgelegt, bei der wir auch eigene, frühere Entscheidungen zur Disposition stellen. Und zu guter Letzt gibt es nun auch ein seriöses Konzept zur Migrationspolitik.
Mittelstandsmagazin: Sie sprechen einige wichtige Punkte an, an denen ja auch die MIT gewirkt hat, etwa die Ausgestaltung des Bürgergeldes. Die Bundestagspräsidentin Bas hat kürzlich die Bundesregierung angemahnt, mehr Zeit für die parlamentarische Beratung zu lassen. Wie erleben Sie diese kurzen Fristen, über die sich ja auch die Verbände beschweren?
Thorsten Frei: Gerade die Rückkopplung aus den Verbänden nehme ich sehr ernst, weil das die Sachverständigen sind, die wir brauchen. Und wenn wir heute jemanden innerhalb eines Tages zu einer Stellungnahme auffordern, ohne, dass Zeit für eine inhaltliche Prüfung ist, dann geht das auf Kosten der Qualität der Gesetzgebung.
Der Brief von Bärbel Bas im März war in seiner Klarheit gegenüber der Bundesregierung bemerkenswert. Aber das hat natürlich eine Vorgeschichte: Wir bemängeln diese Praxis in quasi jeder Sitzung des Ältestenrates des Bundestages. Und wir haben auch darauf hingewiesen, dass es nicht geht, dass die Koalition ewig lang streitet, und man dann glaubt, mit Koalitionsgesprächen parlamentarische Verfahren zu ersetzen. Das ist eine Respektlosigkeit gegenüber dem Parlament und auch eine Überhöhung der eigenen Position.
Mittelstandsmagazin: Ist dies auch eine Folge des Anspruchs, möglichst viele Aspekte unseres Lebens über Gesetze zu regeln? Übernimmt sich das Parlament damit?
Thorsten Frei: Nicht das Parlament, aber die Koalition. Ihr Punkt ist genau richtig. Wenn man wie diese Bundesregierung nicht auf marktwirtschaftliche Anreize setzt, sondern auf Verbote, dann führt dies zu immer mehr Bürokratie.
Mittelstandsmagazin: Was sind denn für Sie die drei Kernthemen, mit denen die CDU in einen Wahlkampf ziehen sollte?
Thorsten Frei: Wir werden uns auf die grundlegenden Werte der Christdemokratie beziehen. Ausgehend vom christlichen Menschenbild sehen wir das Individuum, und nicht ein wie auch immer geartetes Kollektiv.
Das heißt: Wir setzen auf die Selbstverantwortung des Einzelnen, auf die Freiheit in Verantwortung, auf Werte wie Leistungsbereitschaft. Selbstverständlich setzen wir auf die Soziale Marktwirtschaft, ohne dass wir die Illusion haben, dass jeder Mensch gleich oder gleich leistungsstark ist. Vielmehr ist es unsere Pflicht, die Schwächeren mitzunehmen.
Der zweite Punkt ist für mich die Konzentration auf die Kernaufgaben des Staates. Das hat etwas mit Schwerpunktsetzung zu tun.
Und der dritte Punkt: Wir brauchen flächendeckend eine neue Angebotspolitik. Im Bereich der Energiepolitik, der Steuerpolitik, der Arbeitsmarktpolitik, der Deregulierung und des Bürokratieabbaus. Denn Überregulierung und Bürokratie lähmt uns alle, zuvorderst den Mittelstand, aber letztlich auch den Staat.
Und wenn ich vielleicht noch einen weiteren Punkt hinzufügen darf: Ich glaube, dass wir auch auf die ganz großen Themen überzeugend antworten müssen. Die großen, Jahrzehnte überdauernden Themen sind zum einen der Klimawandel, wo wir zeigen müssen, dass wir mit den Instrumenten der Marktwirtschaft beste Lösungen erreichen können. Und der zweite Komplex ist der demografische Wandel mit all seinen Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme.
Mittelstandsmagazin: Lassen Sie mich diesen Ball auf greifen: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Klimaurteil den Begriff der „intertemporalen Freiheitssicherung“ ins Feld geführt, sprich: Wir haben die Verantwortung, jetzt Dinge zu tun oder zu unterlassen, die die Freiheit unserer Kinder und Enkel nicht über Gebühr einschränkt. Wie übersetzen Sie diesen Auftrag konkret in Klimapolitik?
Thorsten Frei: Ich halte diese neue Denkfigur des Bundesverfassungsgerichts, die Freiheitsrechte des Grundgesetzes auch vertikal zwischen den Generationen zu sehen, für eine sehr positive Fortentwicklung, weil es jenseits der Klimapolitik ganz generell den Nachhaltigkeitsgedanken stärkt. Das gilt insbesondere auch für die sozialen Sicherungssysteme und für die Solidität der Staatsfinanzen. Das bedeutet, dass unser heutiges Handeln auch vor dem Urteil zukünftiger Generationen Bestand haben muss. Und das ist ein zutiefst christdemokratischer Ansatz.
Der Kern der Frage ist nicht, ob wir die Klimaziele einhalten, sondern wie wir sie einhalten. Wenn wir Deutschen für 1,73 Prozent des CO2-Ausstoßes weltweit verantwortlich sind, dann ist es wichtig, dass wir unseren Beitrag zum Klimaschutz national leisten. Aber es ist beileibe nicht ausreichend. Wir werden nur etwas Positives für das Weltklima bewirken, wenn es uns gelingt, Klimaschutz auf eine attraktive Art und Weise zu machen, die nicht Wohlstand kostet und nicht zur Deindustrialisierung führt. Und das schaffen wir aus meiner Sicht nicht mit einer dirigistischen Politik und mit einer technologischen Engführung. Dieses Ziel ist nur mit marktwirtschaftlichen Anreizsystemen zu erreichen, mit Technologieoffenheit und mit der Innovationskraft von Unternehmen und Bürgern.
Mittelstandsmagazin: Die Stichworte sind also CO2-Bepreisung, Emissionshandel und Technologieoffenheit als Instrumente des Klimawandels. Dafür muss der Staat ein Regelwerk schaffen. Aber muss der Staat darüber hinaus etwas tun?
Thorsten Frei: Ich bin gegen zu viel Festlegung und dafür, dass man Potenziale nutzt. Lassen Sie mich ein Beispiel entlang des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) geben: Wir haben schon vor einigen Jahren entschieden, dass ab 2026 keine Ölheizungen mehr verbaut werden sollten, dann aber mit einem siebenjährigen Vorlauf, wo sich Unternehmen, aber auch die Bürger darauf einstellen konnten. Es kann aber durchaus sein, dass es Konstellationen im Gebäudebestand gibt, bei denen der Betrieb einer Gasheizung zusammen mit umfassenden Gebäude-Sanierungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes sehr viel sinnvoller ist als der Einbau einer Wärmepumpe. Das kann aber nicht der Staat entscheiden. Es kann doch nicht richtig sein, dass im Bundeswirtschaftsministerium zentral entschieden wird, dass für alle Bestandsgebäude, die in den nächsten 20 Jahren ihre Heizung auswechseln müssen, die Wärmepumpe die einzige Technologie ist. Und das wird am Ende dazu führen, dass man für die CO2-Einsparung gar nicht das Maximale erreicht –auch vor dem Hintergrund, dass mehr als die Hälfte des Stroms in Deutschland aus fossilen Quellen stammt.
Mittelstandsmagazin: Die Kosten für die Umsetzung des GEG werden auf 180 Milliarden Euro bis zu 600 Milliarden Euro geschätzt. Aber auch, wenn die Wärmewende über den Emissionshandel gesteuert wird, wird sie Geld kosten. Wie würde dann nach Ihrer Vorstellung eine Entlastung der Bürger aussehen? Förderung, oder eher ein Klimageld aus den Einnahmen für die Emissionszertifikate?
Thorsten Frei: Wir dürfen nicht die Illusion erwecken, dass mit unseren marktwirtschaftlichen Vorstellungen der Klimaschutz eine kostenfreie Angelegenheit würde. Die Bepreisung von CO2 führt dazu, dass der CO2-Ausstoß Geld kostet, und durch die Verknappung der Zertifikate wird es grundsätzlich teurer werden, um die marktwirtschaftlichen Anreize für CO2-Reduktion zu stärken. Und ich bin sehr dafür, dass das dadurch eingenommene Geld auch tatsächlich im Kreislauf bleibt und den Bürgern und auch den Unternehmen wieder zurückgegeben wird.
Das gesamte Interview können Sie hier nachlesen: https://thorsten-frei.de/fileadmin/user_upload/mit_mittelstandsmagazin_2-2023_ansicht_neu.pdf