Mit Ärzten in der Diskussion um neues Organspendegesetz

Die große Mehrheit der Länder in Europa hat sie längst, Frankreich führte sie 2017 und die Niederlande im vergangenen Jahr: die Widerspruchslösung zur Organspende. Nun soll sie auch in Deutschland eingeführt werden. Das ist offensichtlich auch notwendig, zumal die Spendenbereitschaft in Umfragen mit über 80 Prozent sehr hoch ist, aber nur 36 Prozent der Deutschen tatsächlich einen Spenderausweis haben. Zudem ist  Deutschland klar Schlusslicht, wenn es um die Zahl der Organspenden und Transplantationen geht. Das hat fatale Folgen für die Menschen auf den Wartelisten: Sie warten hierzulande im Schnitt fünf bis zehn Jahre auf eine Niere, in Österreich sind es nur 18 Monate in Spanien sogar lediglich 12 Monate. Entsprechend positiv äußert sich die DGfN, die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie, in der Diskussion zur Widerspruchslösung.
Auch vier Nierenspezialisten im Nephrologischen Zentrum beim Schwarzwald-Baar-Klinikum in Villingen Schwenningen, Prof. Dr. Bernd Hohenstein, Prof. Dr. Bernd Reichel, Dr. Thomas Weinrich und Dr. Olaf Hergesell, baten im Gespräch mit Thorsten Frei dringend um eine gesetzliche Änderung, die eine Verbesserung für die Patienten verspricht. Sie befürworten die Widerspruchslösung. Zudem  sollten auch die Abläufe in den Kliniken optimiert werden. Der Gesetzentwurf sehe auch den Ausbau der Position des Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern vor, betonte Frei.
Voraussichtlich Mitte Januar wird sich der Deutsche Bundestag entscheidend mit dem Thema befassen. Neben dem Antrag für die Widerspruchslösung gibt es einen Antrag mit einer veränderten Variante zur bestehenden Zustimmungslösung. Beide liegen zwar schon fast ein Jahr auf dem Tisch, aber in „dieser nicht einfach zu beantwortenden Frage hat man sich ausdrücklich eine lange Orientierungsphase genommen“, so Frei, denn alle bisherigen Versuche in den vergangenen Jahrzehnten, die Spendenbereitschaft signifikant zu erhöhen, zuletzt 2012 und 1998, seien leider gescheitert. Dies soll sich mit der nun anstehenden Änderung endlich ändern.
Dies belegen auch die von den Ärzten vorgelegten Zahlen. Nach dem Skandal zu Leber-Transplantationen (2010 bis 2012) steckt das System in der Vertrauenskrise. Die Spenderzahlen gingen deutlich zurück. Wurden 2010 noch fast 3000 Nieren verpflanzt, waren es im vergangenen Jahr nur noch 2291 Transplantationen. Eine vergleichbare Zahl erwartet man für das laufende Jahr.
„Ich selbst habe einen Organspenderausweis. Ich bin aber immer skeptisch, wenn der Staat Regelungen macht, die zu sehr ins Private gehen“, sagte Frei im Gespräch. Mit dem jetzt vorgesehenen Paradigmenwechsel, nach dem nun grundsätzlich erst einmal jeder Erwachsene auch Organspender ist, könne er sich aber anfreunden, weil letztlich jeder die Entscheidung weiterhin selbst treffen könne. Frei plädierte zudem für eine bessere Erkennung eines Organspenders: Man sollte die Möglichkeit schaffen, die Spenderinformation auf dem Personalausweis digital zu hinterlegen. Ein Vorschlag, der beim Ärzte-Quartett gut ankam. Schließlich hätten viele potenzielle Spender ihren Organspenderausweis nicht immer dabei.