Kürzlich konnte die RAF-Terroristin Daniela Klette nach jahrzehntelanger erfolgloser Suche festgenommen wurde. Den Grundstein des Erfolg legte wohl ein kanadischer Journalist, der öffentlich zugängliche Facebook-Bilder mittels KI abglich und nach kürzester Zeit einen Treffer landete. Dadurch ist in Deutschland erneut der Einsatz der automatischen Gesichtserkennung durch die Sicherheitsbehörden entbrannt. Zu dem Thema führte Thorsten Frei ein Interview mit der Mediengruppe Bayern, das heute in der „Passauer Neue Presse“ erschienen ist.
PNP: In Bahnhöfen, am Flughafen, in Ladengeschäften: Genau in diesem Moment beobachten tausende Kameras die Menschen in Deutschland. Warum reicht das in Ihren Augen nicht mehr aus zur Strafverfolgung?
Thorsten Frei: Mir geht es um die Sicherheit im öffentlichen Raum. Wir schöpfen den rechtlichen Rahmen nicht aus, den wir den Strafverfolgungsbehörden an die Hand geben könnten, um uns vor Kriminalität, aber auch vor extremistischen und staatsgefährdenden Umtrieben zu schützen. Die Polizei hat bislang keine Rechtsgrundlage, in Echtzeit biometrische Gesichtserkennung systematisch einzusetzen, obwohl sich das bewährt hat. Wir fordern deshalb den Einsatz dieser Technik an Kriminalitätsschwerpunkten.
PNP: In Was würde das bringen?
Thorsten Frei: Mehr Sicherheit durch bessere Strafverfolgung. Bei einem Pilotversuch der Bundespolizei im Jahr 2017/18 wurde am Bahnhof Südkreuz in Berlin eine Gesichtserkennungssoftware getestet, die Gesichter mit einer Referenzdatenbank abgeglichen hat. Die Falschtrefferrate lag bei nur 0,00018 Prozent. Schon damals hatten wir es nicht mit einem unausgereiften System zu tun.
PNP: Das bedeutet doch aber, dass jeder Passant am Bahnhof Südkreuz für die KI ein potenzieller Verdächtiger war. Haben Sie damit kein Problem?
Thorsten Frei: Wenn das meiner Sicherheit dient, nehme ich einige Sekunden Speicherung in einer Videoüberwachunggerne in Kauf. Es handelt sich zudem nicht um wahllose Orte, sondern festgestellte Kriminalitätsschwerpunkte, an denen wir Echtzeit-Gesichtserkennung einsetzen wollen. Wir wollen diese Technik auch nur zur Verfolgung schwerster Verbrechen einsetzen. In allen anderen Fällen würde das System eine Person gar nicht identifizieren können und die Daten des Abgleichs umgehend löschen. Die Anonymität der Bürgerinnen und Bürger im öffentlichen Raum ist deshalb nicht bedroht. Am Ende des Tages geht es immer um die Abwägung von Rechtsgütern. Auf der einen Seite haben wir das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Aber auf der anderen Seite ist auch klar, dass kein Grundrecht schrankenlos gilt.
PNP: Wie ist die Gesetzeslage bezüglich der KI-Nutzung derzeit?
Thorsten Frei: In der EU wird heute ein neues KI-Gesetz beschlossen, das sehr restriktiv festlegt, unter welchen Voraussetzungen in Europa Gesichtserkennungssoftware von Polizei und Ermittlungsbehörden eingesetzt werden kann. Die Echtzeitgesichtserkennung, wie am Bahnhof Südkreuz erprobt, wäre darunter aber möglich. Nur plant die Bundesregierung nicht, die Polizei mit entsprechenden technischen Instrumentarien auszustatten, die es ihr ermöglicht, unter sehr eingegrenzten Maßstäben Künstliche Intelligenz und biometrische Gesichtserkennungssoftware tatsächlich einzusetzen.
PNP: Der Fall der RAF-Terroristin Daniela Klette hat Bewegung in die Debatte gebracht. Ein Journalist aus Kanada hat eine Gesichtserkennungssoftware mit Milliarden Bilddateien im Internet abgeglichen und – einfach gesagt – Frau Klette in einer halben Stunde gefunden. Dürfte die Polizei das?
Thorsten Frei: Nein. Und das hinterlässt bei mir ein ungutes Gefühl, denn jede Privatperson kann mit ein paar Klicks Milliarden Daten durchforsten, aber die Polizei darf nicht einmal stark restriktiv solche Technik nutzen. Wir müssen achtgeben, dass Datenschutz nicht zum Täterschutz wird.
PNP: Wie lange dürfte die Polizei die Daten zum Abgleich speichern?
Thorsten Frei: Der Abgleich passiert in Echtzeit. Ein Treffer wird gespeichert. Gibt es keinen Treffer, dann wird das Datenmaterial umgehend wieder gelöscht. Es liegt an uns, die konkrete Rechtsgrundlage auszugestalten. Die Polizei sollte nicht künstlich dumm gehalten werden.
PNP: Nehmen wir mal ein Beispiel: Demnächst soll in Berlin das Wegwerfen von Zigaretten auf den Boden mit 250 Euro Bußgeld bestraft werden. Es wäre doch verlockend, solche Delikte auch per Gesichtserkennung zu verfolgen?
Thorsten Frei: Das ist ausgeschlossen, weil es gegen unsere Verfassung verstößt. Wegen solch eines Deliktes darf niemals ein Abgleich mit der Fahndungsliste erfolgen.
PNP: Haben Sie nicht Sorge, als Überwachungsstaats-Partei aus dieser Diskussion hervorzugehen?
Thorsten Frei: Nein. Ich glaube eher, dass die Bürgerinnen und Bürger kein Verständnis dafür haben, dass einfache, nachvollziehbare und eingrenzbare Polizeimaßnahmen nicht genutzt werden dürfen, um für die Sicherheit der Menschen zu sorgen.
