Interview mit der Rheinpfalz

Die rheinland-pfälzische und saarländische Regionalzeitung „RHEINPFALZ“ veröffentlichte kürzlich nachfolgendes Interview mit Thorsten Frei  zur Migrationspolitik. Das Interview führte Redakteur Hartmut Rodenwoldt in Berlin.

RHEINPFALZ: Herr Frei, ist die CDU hasenfüßig?
Thorsten Frei: Warum hasenfüßig?

RHEINPFALZ: Ein bekannter Kolumnist hat das der CDU vorgeworfen, weil beispielsweise Jens Spahn oder Sie sich nicht trauen bei der illegalen Einwanderung klar Stellung zu beziehen.
Thorsten Frei: Offen gesagt: Ich glaube, dass wir sehr wohl klar Position beziehen. Wir haben eine nüchterne Problembeschreibung und einen Lösungsvorschlag gemacht. Das ist klare Kante.

RHEINPFALZ: Spahn sagt: „Deutschland braucht eine Pause von dieser völlig ungesteuerten Asylmigration.“ Das heißt: Nach einer Pause von drei Monaten darf es ungeregelt weitergehen…
Thorsten Frei: Wir müssen konstatieren, dass das heutige Asylsystem und das Migrationsrecht alle wesentlichen Ziele, die wir verfolgen, nicht erreicht. Auf der einen Seite haben wir eine völlig unkontrollierte Migration nach Europa. Sie droht die hiesigen Gesellschaften zu überfordern. In Deutschland fehlen heute 700.000 Wohnungen und 400.000 Kita-Plätze. Das sind Kapazitätsprobleme. Weil es eine völlig ungesteuerte Migration ist, über die der Staat die Kontrolle verloren hat, sind auch die Reaktionsmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Auf der anderen Seite haben wir ein gut gemeintes Asylsystem, das aber in seinen Auswirkungen völlig inhuman ist. Warum? Weil wir ein sehr weitreichendes Asylrecht ins Schaufenster stellen, aber alles tun, damit es möglichst wenige in Anspruch nehmen. Wir sagen nämlich: „Ihr müsst Euren Asylantrag auf europäischem Boden stellen.“ Das bedeutet: Es kommen fast nur Menschen zu uns, die jung, überwiegend männlich und kräftig sind, und die das Geld haben, tausende Euro für illegale Schlepper zu bezahlen.

RHEINPFALZ: Sie fordern statt des Individualrechts auf Asyl eine „Institutsgarantie“. Das heißt: Es soll nicht mehr möglich sein, Asylanträge auf europäischem Boden zu stellen. Stattdessen würde die EU pro Jahr ein Kontingent von 300.000 bis 400.000 Flüchtlingen aufnehmen. Wo sollen diese Flüchtlinge unterkommen, wenn Länder wie Ungarn, Polen, Slowenien, Dänemark, die Slowakei, etc., sich weiterhin weigern, Flüchtlinge aufzunehmen?
Thorsten Frei: Das stellen wir leider seit Jahren fest. Bei der Zahl von 300.000 bis 400.000 Menschen habe ich mich bezogen auf die durchschnittliche europäische Aufnahme von Flüchtlingen in den vergangenen zehn Jahren. Wenn man die Zahl herunterbricht auf Deutschland und berücksichtigt, dass nicht alle Länder mitmachen, bedeutet das für uns eine Aufnahme von jährlich 150.000 bis 160.000 Menschen. Das würde unsere Kapazitäten stark in Anspruch nehmen. Aber wir haben auch eine humanitäre Verantwortung, vor der ich mich nicht drücken will. Die meisten Länder kennen das Asylrecht nicht als individuelles Grundrecht, sondern sie nehmen die Verpflichtungen der Genfer Flüchtlingskonvention über Kontingente wahr. Genauso sollte es Europa auch tun.

RHEINPFALZ: Bei realistischer Betrachtung würde Deutschland die meisten Flüchtlinge aufnehmen. In 13 der 27 EU-Ländern war die Anzahl der Asylanträge 2022 vierstellig. In Deutschland dagegen sind 217.000 Anträge gestellt worden. Was wäre also gewonnen?
Thorsten Frei: Gewonnen wäre, dass wir Planbarkeit hätten und staatliche Kontrolle zurückgewinnen würden. Unser bereits 2015 formuliertes Ziel vom „Ordnen, Steuern und Begrenzen“ wäre damit erreicht. Wir kommen ferner unserer humanitären Verantwortung nach, indem wir besonders schutzbedürftigen Menschen Asyl in Europa gewähren – und nicht nur den Stärksten.

RHEINPFALZ: Wenn die EU bis zu 400.000 Flüchtlinge aufnimmt, dann machen sich die anderen 500.000 in Afrika, Asien oder sonst wo, die auch in die EU wollen, nicht auf den Weg? Die halten dann brav still?
Thorsten Frei: Mein Vorschlag zielt darauf ab, dass Flüchtlinge die teure und gefährliche Reise nach Europa deshalb nicht unternehmen, weil der Anreiz dafür fehlt. Heute gilt, es irgendwie nach Europa zu schaffen. Flüchtlinge haben die Perspektive, hier bleiben zu können – unabhängig davon, ob sie unseres Schutzes bedürfen oder nicht. Sie bekommen hohe Sozialleistungen, sie können nach einiger Zeit ihre Familien nachholen und sie können in Deutschland durch das sogenannten Chancen-Aufenthaltsgesetz der Ampel-Regierung den Spurwechsel in die Arbeitsmigration vornehmen, wenn sie nicht straffällig werden. Wenn es diese Anreize nicht mehr gibt und man hier keinen Asylantrag mehr stellen kann, sondern an den Grenzen abgewiesen wird, ist es plausibel anzunehmen, dass sich nur noch eine sehr geringe Zahl von Menschen auf den Weg nach Europa machen wird.

RHEINPFALZ: In den ersten sieben Monate war die Asyl-Anerkennungsquote nach Artikel 16a des Grundgesetzes 0,7 Prozent, trotzdem durften die meisten Antragsteller bleiben. Das Asylrecht war weder historisch noch ist es aktuell dazu gedacht, Menschen die Einwanderung zu ermöglichen, die möglicherweise aus guten Gründen von einer besseren Zukunft träumen. Müsste vor diesem Hintergrund nicht die EU-Grundrechtecharta geändert werden? Da heißt es unter anderem: „Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.“
Thorsten Frei: Nein. Was Sie beschreiben, ist das sogenannte Non-Refoulement-Gebot. Das heißt, niemand darf dorthin zurückgeschickt werden, wo ihm unmenschliche Behandlung, Tod, Folter oder Verfolgung droht. Dieser Grundsatz wird vom Bundesverfassungsgericht und internationalen Gerichten aus dem Prinzip der Menschenwürde hergeleitet. Das ist nicht änderbar und ich will es auch nicht ändern. Ich würde niemals wollen, dass jemand abgeschoben wird und ihm eine unmenschliche Behandlung droht.

RHEINPFALZ: Nach ihrem Vorschlag müsste das aber geschehen …
Thorsten Frei: Nein. Wenn jemand beispielsweise aus einem sicheren Drittstaat wie Tunesien einreist, müsste man ihn selbstverständlich dorthin zurückbringen können. Dort droht dem Zurückgeschobenen nichts. Die EU-Grundrechtecharta oder die Genfer Flüchtlingskonvention bieten durchaus Möglichkeiten, konsequent dafür zu sorgen, dass auf europäischem Boden kein Asylrecht beantragt werden kann. So praktizieren es etwa die USA an der Grenze zu Mexiko. Wer dort an die Grenze kommt, wird in der überwältigenden Zahl von Fällen nach einem Schnellverfahren ohne Rechtsschutz nach Mexiko zurückgewiesen.
Oft wird fälschlicherweise angenommen, dass aus internationalen Vereinbarungen wie der Genfer Flüchtlingskonvention ein individuelles Asylrecht erwächst. Das ist nicht zutreffend. Und Deutschland hat sein Asylrecht in den 1990er Jahren mit dem Verweis darauf, dass niemand einen Antrag stellen kann, der aus einem sicheren Drittstaaten einreist, bereits weitgehend abgeschafft. Das durch unser Grundgesetz verbriefte Asylrecht – Sie haben die Zahl ja genannt – ist heute praktisch bedeutungslos.

RHEINPFALZ: Man hat gelegentlich das Gefühl, viele in der Union winden sich in der Zuwanderungsfrage, weil sie Angst davor haben, als Populisten gescholten zu werden, die der AfD nachlaufen. Warum ist das so?
Thorsten Frei: Ich glaube nicht, dass dem so ist. Politik hat die Verantwortung für die Themen, die die Bevölkerung beschäftigen, Antworten zu bieten. Da sollte man nicht auf die politische Konkurrenz schauen. Es ist zweifelsfrei so, dass neben den Wirtschaftsproblemen und den Abstiegsängsten die Migration eines der beherrschenden Themen im Bewusstsein der Bevölkerung ist. Deswegen brauchen wir Lösungsvorschläge. Daran arbeiten wir seit Jahren. Wir müssen aber erkennen: Wenn wir in den bisherigen Linien weiter diskutieren, bekommen wir keine vernünftige und grundlegende Lösung des Problems. Deswegen müssen wir die ausgetretenen Pfade verlassen. Mein Vorschlag dient der Lösungsfindung. Problematisch ist, Vorschläge in eine radikale Ecke zu stellen und dadurch zu desavouieren. Wer das tut, versucht, den politischen Ideenwettstreit im Keim zu ersticken. Eine Debatte muss möglich sein.

+++ ,,SWR1 Leute" - Spitzenkandidaten im Gespräch: Thorsten Frei live im SWR 1-Radio, am Mittwoch, 19. Februar, von 10 bis 12 Uhr +++ Jugend diskutiert, Mittwoch, 19. Februar, 17.30 Uhr, Kulturfabrik Niedereschach +++ CDU-Abend mit Thorsten Frei in Niedereschach, Mittwoch, 19. Februar, 19 Uhr, Café Bantle +++ Diskussion mit dem Wirtschaftsrat VS, DS, Hochrhein in Furtwangen, Donnerstag, 20. Februar, 18 Uhr Oskar Ketterer Druckgießerei, Werk 2

+++ Wochenmärkte (je 90 Minuten):  Freitag, 21. Feb., 8.30 Uhr:  Donaueschingen / 10.30: Bad Dürrheim / Samstag, 22. Feb., 9.30 Uhr: Schwenningen / 11 Uhr: Villingen (Innenstadt) +++