Im Deutschlandfunk-Interview kritisierte Thorsten Frei das Vorgehen der Bundesregierung, die nun nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil eine Notlage feststellen will, um so den Bundeshaushalt 2023 rechtssicher zu gestalten. Lesen Sie einen Auszug des Interviews mit Christoph Heinemann nachfolgend im Wortlaut: Heinemann: Herr Frei, also Nachtragshaushalt 2023 ohne Schuldenbremse, mit Notlage – richtiger Weg? Frei: Na ja, es ist jedenfalls so, dass sich der Bundesfinanzminister Lindner mit die- sem Weg untreu wird, weil er ja ganz stolz vor einem Jahr erklärt hat, dass er sozu- sagen jetzt der Finanzminister sei, der ohne Brechen der Schuldenbremse aus- kommt. Insofern ist es schon etwas seltsam, jetzt am Ende des Jahres rückwirkend eine Notlage feststellen zu wollen. Wenn man sich die Buchstabierung im Grundge- setz anschaut, dann ist es ein gewagtes rechtliches Manöver. Aber es ist natürlich auch so, das muss man konstatieren, die Bundesregierung muss jetzt schauen, dass sie jedenfalls die Verfassungswidrigkeit des aktuellen Haushaltes rückwirkend berei- nigt, also auch einen rechtssicheren Zustand herstellt. Und dann muss man sozusa- gen für den Haushalt 2024 darauf achten, dass man alle Voraussetzungen erfüllt. Heinemann: Das wäre genau die Frage. Gewagtes Manöver, haben Sie gesagt. Ist die Aussetzung der Schuldenbremse gerechtfertigt? Frei: Ja, ich kann es leider nicht klarer beantworten, weil ich diesen Vorschlag der Bundesregierung ja auch erst seit gestern kenne. Ich stelle es mir schwierig vor, dass man zu Beginn des Jahres nicht von einer Notlage spricht, wir allerdings die Grundlage dessen, was jetzt zur Grundlage einer Notlage werden soll, im Grunde ge- nommen vor einem Jahr schon hatten. Also, ich wüsste nicht, was sich an neuen Er- kenntnissen ergeben hätte und welche Begründung man da jetzt letztlich nachschie- ben wollte. Heinemann: Würde die Union denn noch mal klagen? Frei: Es ist eine rechtliche Frage. Also, ich will das ausdrücklich offenlassen, weil es auch aus unserer Sicht darum geht, jetzt vernünftig dieses Jahr abzuschließen. Es bringt ja nichts, über vergossene Milch zu sprechen. Sondern es ist sehr viel ent- scheidender, jetzt zügig aber verlässlich zu einem Nachtragsetat zu kommen. Das kann in der nächsten Woche passieren. Und dann auf dieser Grundlage den Haus- halt 2024 anzugehen. Und da wird es dann tatsächlich darum gehen, dass priorisiert wird, und dass vor allen Dingen gespart wird. Würde das nicht getan für den Haus- halt 2024, würde tatsächlich die Verfassungsgerichtsentscheidung umgangen. Heinemann: Herr Frei, noch mal bitte zum Mitschreiben. Würde die Union nicht kla- gen? Habe ich das jetzt richtig verstanden? Frei: Ich will das nicht abschließend beurteilen, denn die Nachricht ist ja sehr neu. Wir schauen uns das natürlich auch politisch exakt an. Aber klar ist auch – das will ich als Botschaft schon senden – es bringt ja nichts, sozusagen rückwirkend über vergossene Milch zu klagen. Der Haushalt 2023 ist weitestgehend vollzogen und der muss jetzt auf eine rechtssichere Basis gebracht werden. Für uns ist also die sehr viel interessantere Frage, dass insbesondere dann 2024 das, was das Bundesver- fassungsgericht ausgeurteilt hat, auch tatsächlich umgesetzt wird. Und das bedeutet, Schwerpunkte zu setzen, zu sparen, nicht mehr alles machen zu können, auch haus- haltspolitisch die Zeitenwende zu vollziehen und eben dann zu sagen, wenn neue Aufgaben dazukommen, müssen alte wegfallen.