„Anstöße“ sind eine ökumenische Veranstaltungsreihe im Rahmen der Evangelischen Erwachsenenbildung im Kirchenbezirk Villingen und des Katholischen Bildungswerkes in Donaueschingen. Hier ging es in der jüngsten Auflage um das Thema „Grenzen sichern – sichern Grenzen?“. Hier diskutierte Thorsten Frei unter Moderation von Karin Nagel mit zwei Vertretern einer liberalen Einwanderungspolitik, taz-Journalist Christian Jakob und Ullrich Hahn, Rechtsanwalt und Präsident des Internationalen Versöhnungsbundes.
„Migration hat es immer gegeben und wird es auch in Zukunft geben“, machte Thorsten Frei in seinem Eingangsstatement klar. Derzeit erlebe man in Deutschland wieder eine neue Welle an humanitärer Migration, ähnlich jener von 2015, die den Staat und die Kommunen stark herausfordere. „Für mich ist aber auch klar, dass alle diejenigen wieder unser Land verlassen müssen, deren Asylantrag abgelehnt ist.“
Auf der anderen Seite stehe die Arbeitsmigration: „Darauf ist Deutschland angewiesen. Wir sind allein nicht in der Lage, den Generationenvertrag mit eigenem Nachwuchs zu erfüllen und brauchen deshalb Einwanderer in unseren Arbeitsmarkt.“ Dies sei so in den neuen Einwanderungsgesetzen 2019 auch unter seiner Mitwirkung neu geregelt worden. Allerdings sei deren Wirkung durch die Corona-Krise schwer messbar.
Generell meinte Frei: „Jedes Land der Erde ordnet seine Migration. Deutschland unterscheidet sich aber von den größten Einwanderungsländern als generöser Sozialstaat. Und bei der Einwanderung muss die Integration in allen Fällen gewährleistet und Maßstab sein.“
Ulrich Hahn setzt nicht auf Zahlen, sondern auf die Erzählung hinter dem Menschen und auf durchlässige Grenzen und Länder seien auch in der Lage, Menschen in Not zu helfen. Niemand hätte vor einem Jahr gedacht, dass Deutschland rund eine Million Ukrainer aufnehmen könne. Zudem werde der Klimawandel für noch mehr Wanderungen sorgen und man müsse wegkommen von Denken nationaler Grenzen.
Christian Jakob hat sich in seinem Buch „Die Bleibenden. Wie Flüchtlinge seit 20 Jahren Deutschland verändern“ mit den jüngsten Flüchtlingsbewegungen befasst. Deutschland habe sich in dieser Zeit weitgehend mit Verwaltung und Abweisung von Migration befasst und nur langsam zu einem Migrationsland entwickelt. Dabei sei die Migration essentiell für ein weiterhin erfolgreiches Land, ebenso Europa.
In der Diskussion verwies Thorsten Frei auf ein großes Ungleichgewicht in Europa. „Wir diskutieren oft sehr kritisch über die Asylpolitik in Deutschland. Dabei nimmt Deutschland aber mit Abstand die meisten Asylbewerber auf. Und wir sind in Europa weit entfernt von einer gemeinsamen Asylpolitik entfernt. Oft wird kritisch auf die osteuropäischen Länder gezeigt, aber auch die Länder im Norden wie Dänemark mit einer angestrebten Zero-Migration-Politik, Schweden oder die Niederlande setzen viel höhere Grenzen als Deutschland.