Personalmangel – wo sind unsere Arbeitskräfte? Um Antworten auf diese Frage ging es beim „Tag der Unternehmen“ des Großhandels Baden-Württemberg in Stuttgart in einer Diskussion, moderiert von Sabrina Fritz, Leiterin der SWR-Wirtschaftsredaktion. Zu Gast waren neben Thorsten Frei Andrea Nahles (Bundesagentur für Arbeit), Oliver Barta (Hauptgeschäftsführer UBW), Wolfgang Krüger (ver.di Landesfachbereichsleiter Handel Baden-Württemberg) und Ulrich Gutting (grosshandel-bw).
In seinem Impulsvortrag sprach Thorsten Frei zunächst die Lage des Wirtschaftsstandorts Deutschland an: „Es geht uns schlechter als man denkt. Die Inflation ist zu hoch und aktuell haben wir kein Wachstum. Eine ungewohnte Situation, denn unsere Unternehmen sind in den vergangenen zehn Jahre enorm gewachsen und schon hier hinkte die Zahl der Mitarbeiter der Entwicklung hinterher. Die Digitalisierung in vielen Bereich konnte einiges kompensieren, ansonsten sähe es in Bezug auf den Mitarbeitermangel noch schlechter aus“, konstatierte Frei
Wichtigste Ressource seien die Kinder. „Über 50 000 Schulabbrecher sind deutlich zu viel. Das können wir uns nicht weiter leisten. Mangelnde Bildung ist einer der Hauptgründe für Arbeitslosigkeit. Wir müssen uns möglichst frühzeitig um Schülerinnen und Schüler bemühen, damit sie erst gar nicht ohne Abschluss die Schule verlassen“, betonte Frei. Ebenso müsse die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter optimiert werden. In diesem Bereich sei viel passiert, allerdings sei auch hier das Kita-Personal inzwischen knapp. „Kommunen müssen aber ein Angebot schaffen, wenn Eltern das Angebot wahrnehmen wollen, um selbst und auch mehr arbeiten gehen zu können.“
In Zeiten des demografischen Wandels müsse das Land das vorhandene Potenzial besser heben. „Wir tun dies auch gut, aktuell mit der Rekordzahl von 46 Millionen Beschäftigten. Allerdings arbeiten diese genauso viele Stunden wie 1990 die damals rund 38 Millionen Beschäftigten. Hier müssen wir für den Erhalt unseres Wohlstands umdenken. 1300 Arbeitsstunden in Deutschland im Schnitt pro Jahr können auch mit der Bilanz der Schweizer mit 1500 Stunden nicht mithalten.“
Der Weg zu mehr Arbeitsstunden sei bei der aktuellen Marktsituation bei aller Notwendigkeit allerdings nicht einfach, denn der Markt mache dies nicht leicht, wenn Arbeitsnehmer, etwa Handwerksbetriebe, inzwischen 4-Tage-Angebote machen würden, um überhaupt eine neue Arbeitskraft zu gewinnen. Auch diese Entwicklung gefährde den Wohlstand. „Deshalb muss es uns gelingen, auch die 2,5 Mio arbeitsfähigen Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Darunter sind auch viele Migranten, die wir selbst nach Jahren in Deutschland bislang nicht in den Arbeitsmarkt integrieren konnten.“ Hier sei wiederum die mangelnde (Aus-)Bildung der Grund.
Mit Blick ins Ausland sagte Frei: „Wir müssen wieder attraktiver für Leistungsträger aus anderen Teilen der Erde werden. Auch deutsche Leistungsträger verlassen inzwischen das Land. Hier müssen wir unser Steuersystem hinterfragen.“ Der Arbeitsmigration müsse parallel besser, sprich schneller, werden: „Die Konsulate sind ein Flaschenhals. Sie können derzeit 25 000 Anträge im Jahr bearbeiten. Es liegen ihnen aber 45 000 Anträge vor. Das bedeutet lange Wartezeiten von teilweise einem Jahr. Wenn wir da nicht schneller werden, bekommen wir unser Problem nicht gelöst. Ebenso muss es gelingen, Ausbildungsabschlüsse schneller anzuerkennen.“