Deutschland wird seiner humanitären Verpflichtung nicht durch Alleingänge in der Asylpolitik gerecht

Im vergangenen Jahr sind etwa 60.000 Migranten aus der Türkei auf die griechischen Inseln gekommen. Die Zahl hat sich gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppelt. Derzeit befinden sich etwa 42.000 Migranten auf den griechischen Inseln. Die Zustände dort sind prekär, und sie drohen unhaltbar zu werden. Insofern gibt es einen Handlungsdruck. Die Forderung der Grünen, dass Deutschland von dort alle unbegleiteten Minderjährigen nach Deutschland holen und hier aufnehmen sollte, ist für Thorsten Frei jedoch keine Lösung. Was aus seiner Sicht im Zusammenhang mit der Forderung der Grünen überhaupt nicht geht, ist, so zu tun, als würde Deutschland seiner humanitären Verantwortung nicht gerecht werden. Schließlich hat Deutschland seit 2015 1,8 Millionen Asylantragsteller aufgenommen. Das sind mehr als 41 Prozent in diesem Zeitraum, bezogen auf die ganze Europäische Union. Allein im Jahr 2016 hat Deutschland mehr Asylbewerber aufgenommen als alle anderen 27 EU-Länder zusammen. Seit 2015 hat das BAMF etwa 1 Million Schutztitel ausgereicht. Insofern ist eines vollkommen klar: Deutschland lässt weder Griechenland noch Italien allein, und wir lassen auch keine Kinder auf den griechischen Inseln im Stich. Eine Ad-hoc-Aufnahme von Flüchtlingskindern von den griechischen Inseln hätte aber Folgen, die nicht verantwortbar sind. Das wäre erstens ein nationaler Alleingang, der alle Versuche, zu einer wirksamen gemeinsamen europäischen Asylpolitik zu kommen, torpedieren würde. Alle Vorarbeiten und Versuche der vergangenen vier Jahre wären dahin. Das wäre ein fatales Signal an unseren europäischen Partner. Zweitens wäre auch das Signal an alle Migranten fatal. Sie würden daraus ablesen, dass man nur irgendwie die griechischen Inseln erreichen muss, dann wird man nach einiger Zeit auch das europäische Festland erreichen und für immer in Europa bleiben können. Das sind neue Pullfaktoren, die es zu verhindern gilt. Und drittens würden damit das Türkei-EU-Abkommen ad absurdum geführt. Doch gerade das ist ein ganz wesentlicher Pfeiler des Konzepts „Ordnen, Steuern und Begrenzen“. Mit dem Vorschlag der Grünen würde nichts besser werden, sondern man würde im Ergebnis die Situation auf den griechischen Inseln nur noch viel unmöglicher machen. Deswegen kommt es für Thorsten Frei auf Folgendes an: Wir müssen mithelfen, damit sowohl die Türkei als auch Griechenland angemessen unterstützt werden können. Bei der Türkei kommt es darauf an, dass genügend Mittel für eine menschenwürdige Unterbringung vorhanden sind, darüber hinaus aber auch irreguläre Ablandungen verhindert werden. Und bei Griechenland kommt es darauf an, dass neben der humanitären Unterstützung die Asylverfahren dort beschleunigt werden. Und wenn am Ende eine Ablehnung steht, muss auch eine Rückführung in die Türkei erfolgen. Sonst kann das EU-Türkei-Abkommen nicht funktionieren. Genau darum geht es. Dafür setzt sich die Bundeskanzlerin ein. Dafür setzt sich der Bundesinnenminister ein: in Griechenland und in der Türkei.