Am Wochenende ist ein Interview von Thorsten Frei fordert mit t-online erschienen. Darin fordert Frei ein bedingungsloses Einstehen für Israel, verurteilt gescheiterte Integration in Deutschland und warnt davor, Geflüchtete aus Gaza aufzunehmen. Das Gespräch führte Sara Sievert.
Lesen Sie das unter Quelle: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100264030/israel-gaza-cdu-politiker-frei-zu-pro-palaestina-demos-strafrahmen-anheben-.html veröffentlichte Interview nachfolgend im Volltext:
Thorsten Frei beugt sich ein Stück vor. Er verzieht die Mundwinkel nach unten. Dann sagt er: „Das ist völlig inakzeptabel. Eine Schande. Die Zustände, die wir momentan auf deutschen Straßen erleben, sind unerträglich.“ Es geht um die pro-palästinensischen Demonstrationen, die in diesen Tagen regelmäßig eskalieren.
Seit dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober sind Zehntausende auf die Straße gegangen. Davon unzählige Anti-Israel-Demonstranten. Nicht so sehr im baden-württembergischen Donaueschingen, wo der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion herkommt. Dafür umso mehr in Großstädten, in Berlin, München, Frankfurt oder Köln.
Auch in der Ampel ist man erschüttert. Scholz spricht von einer „klaren Haltung“, stellt sich an die Seite Israels und unterstreicht, es gebe in Deutschland keinen Platz für Antisemitismus. Der Rechtsstaat werde bei Gesetzesverstößen klar durchgreifen.
Frei reicht das alles nicht. Im Interview fordert er Solidarität mit Israel „ohne Wenn und Aber“, schlägt vor, Gesetze zu ändern und warnt davor, Geflüchtete aus dem Gazastreifen aufzunehmen.
t-online: Herr Frei, die Sicherheit des Staates Israel und seiner Bürgerinnen und Bürger ist deutsche Staatsräson. Was bedeutet dieser Satz für Sie?
Thorsten Frei: Dieser Satz bedeutet, dass wir unverbrüchlich zum Staat Israel stehen. Er bedeutet, dass wir alles uns Mögliche tun müssen, um jüdisches Leben auch in Deutschland zu schützen und dafür zu sorgen, dass Juden ganz normal in unserem Land leben können.
t-online: Kann und muss die Solidarität gegenüber Israel bedingungslos, also ohne rote Linien sein?
Thorsten Frei: Selbstverständlich hat Israel das Recht, alles dafür zu tun, sich gegen diese terroristischen Angriffe zu schützen. Der Staat hat gezeigt, dass er verantwortungsvoll, aber eben auch konsequent mit der Herausforderung umgeht. Wir müssen die Israelis uneingeschränkt unterstützen, auch moralisch.
t-online: Heißt, Sie halten es für einen Fehler, wenn Deutschland, wenn der Bundeskanzler in diesen Tagen in dem Zusammenhang an das Völkerrecht erinnert?
Thorsten Frei: Es muss klar sein, dass wir auch in diesen schwierigen Zeiten zu Israel stehen. Deswegen ist es jetzt nicht der Zeitpunkt, um Politik mit dem erhobenen Finger zu betreiben. Als funktionierende Demokratie und Rechtsstaat benötigt Israel keinen Nachhilfeunterricht in Sachen Völkerrecht. Das ist doch selbstverständlich. Angesichts des Terrorangriffs vom 7. Oktober müssen wir vielmehr unsere volle Solidarität gegenüber Israel in den nächsten Tagen und Wochen beweisen, wenn es vielleicht auch weniger schöne Bilder aus der Region geben wird. Auch dann muss vollkommen klar sein, dass wir ohne Wenn und Aber engste Partner Israels sind.
t-online: Was bedeutet es für Deutschland und die deutsche Verantwortung, wenn Judensterne an Hausfassaden geschmiert werden?
Thorsten Frei: Das ist völlig inakzeptabel. Eine Schande. Die Zustände, die wir momentan auf deutschen Straßen erleben, sind unerträglich. Wir brauchen konsequente Antworten des Rechtsstaates. Und wenn nötig, müssen wir Gesetze nachschärfen. Nur so können wir dafür sorgen, dass so etwas in Deutschland unterbunden wird. Es gehört aber auch ein klarer Blick auf das Problem dazu.
t-online: Können Sie das konkreter machen?
Thorsten Frei: Die Innenministerin Nancy Faeser hat bislang so getan, als wäre Antisemitismus ein ausschließlich rechtsextremes Problem. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es auch linksextremistischen Antisemitismus gibt, wie er sich etwa in der BDS-Bewegung äußert. Hinzu kommt: Wir erleben jetzt verstärkt einen eingewanderten islamistischen Antisemitismus. Deshalb müssen neben den Regeln des Strafrechts und des Versammlungsrechts insbesondere auch die Regelungen des Aufenthaltsrechts in den Blick genommen werden. Es darf nicht sein, dass jemand Schutz suchend nach Deutschland kommt und dann wesentliche Werte unseres Landes mit Füßen tritt. Wer Hassparolen gegen Juden schreit oder gar Brandsätze auf Synagogen und Tora-Schulen wirft, verwirkt sein Gastrecht.
t-online: Können sich Juden aktuell sicher in Deutschland fühlen?
Thorsten Frei: Es gibt derzeit eine erhöhte abstrakte Gefährdungslage. Darauf haben die Sicherheitsbehörden bereits mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen reagiert. Aber: Sicherheit ist ein subjektives Gefühl. Ich kann mich sicher nicht eins zu eins in die Lage der Betroffenen hineinfühlen. Aber ich kann es sehr gut nachvollziehen, wenn Juden sich in diesen Tagen in Deutschland nicht sicher fühlen. Das ist ein unerträglicher Zustand, für uns alle. Es ist unsere Verantwortung, für die Sicherheit aller Jüdinnen und Juden im Land zu sorgen.
Wenn jüdische Fußballvereine ihre Spiele absagen müssen, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist, wenn jüdische Kinder unter noch schärferen Sicherheitsvoraussetzungen die Schule besuchen müssen als sonst, wenn Jüdinnen und Juden am ganz normalen gesellschaftlichen Leben nicht mehr ohne Personenschutz teilnehmen können, dann ist das eine Situation, ein gesellschaftliches Klima, wie wir es nicht hinnehmen dürfen. Wir müssen alle rechtsstaatlichen Kräfte anspannen, um diese Situation so schnell wie möglich zu beenden.
t-online: Erleben wir gerade die Konsequenzen gescheiterter Integration?
Thorsten Frei: Ja, das ist gescheiterte Integration. Diese Menschen sind nicht integriert in unsere Gesellschaft. Und um da bloß nicht falsch verstanden zu werden: Wir dürfen nicht so tun, als gäbe es in der deutschen Gesellschaft keinen Antisemitismus. Das wissen wir, und dagegen müssen wir mit aller Konsequenz vorgehen. Aber wir dürfen nicht akzeptieren, dass Antisemitismus auch noch einwandert. Das können und müssen wir verhindern.
Man kann Deutschland nicht nur gut finden, wenn es einem mit konsularischer Hilfe im Ausland zur Seite steht. Und man kann Deutschland nicht nur gut finden, wenn das Land einem im Gewand des generösen Sozialstaats begegnet. Wer Teil unserer Gesellschaft werden will, wer hier leben will, der muss unsere Werte im Ganzen akzeptieren. Und dazu gehört auch unsere Geschichte, unsere Verantwortung für die Shoa, unsere Verantwortung für die Juden in Deutschland und den Staat Israel. Und wer sich dazu nicht bekennen kann, der hat in unserem Land nichts verloren.
t-online: Es ist jetzt eine Woche her, dass der Bundeskanzler, unter anderem mit Friedrich Merz, über Lösungen für die Migrationskrise gesprochen hat. Bislang wissen wir nur, dass die Atmosphäre gut war. Muss nicht zeitnah etwas Konkretes aus dem Treffen folgen?
Thorsten Frei: Der Bundeskanzler muss entscheiden, wie er mit der Situation umgehen will. Unsere Hand ist und bleibt ausgestreckt. Wir haben unsere Punkte definiert und konkretisiert. Wir brauchen jetzt praktische Konsequenzen, keine Absichtserklärungen. Es reicht nicht, wenn wir sagen, wir wollen Asylverfahren schneller machen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Wir müssen definieren, mit welchen gesetzgeberischen und technischen Maßnahmen man diese Ziele erreichen will.
t-online: Gibt es Maßnahmen, die Sie für unverzichtbar halten?
Thorsten Frei: Die Asylzahlen müssen runter, drastisch. Dafür gibt es nicht die eine Maßnahme. Notwendig ist ein ganzes Maßnahmenbündel. Und deswegen würde ich mich nicht auf einen zentralen Punkt konzentrieren. Wenn Sie mich fragen, was ich für unverzichtbar halte: Wir sollten das offene Zeitfenster der GEAS-Reform auf europäischer Ebene nutzen, um Asylverfahren auslagern und in sicheren Drittstaaten durchführen zu können. Dafür sollten wir eine rechtliche Verankerung auf europäischer Ebene schaffen. Das wäre die zentrale Chance, Migration wirklich zu begrenzen.
t-online: Markus Söder hat Kanzler Scholz am Freitagmorgen eine Große Koalition angeboten. Ist die CDU auch bereit dafür?
Thorsten Frei: Die Frage stellt sich zurzeit nicht. Die Bundesregierung hat einen klaren Auftrag. Sie bleibt aufgerufen, die schwere Migrationskrise mit ihrer Mehrheit zu lösen.
t-online: Letzte Frage – gibt es etwas, wofür Sie Olaf Scholz in diesen Tagen loben wollen?
Thorsten Frei: Ich finde, dass Scholz in den ersten Tagen nach dem verbrecherischen Angriff der Hamas auf Israel gut reagiert hat. Er hat in seiner Regierungserklärung vergangene Woche die richtigen Worte gefunden. Und er hat anders als in der Vergangenheit auch schnell reagiert und hat diesmal als erster Regierungschef Israel besucht. Da hat er in den ersten Tagen aus meiner Sicht in diesem Thema keine Fehler gemacht.
t-online: Herr Frei, vielen Dank für das Gespräch.