Nach seiner USA-Reise hat Thorsten Frei auch mit FAZ-Journalist Eckart Lohse zu seinen Eindrücken und Schlussfolgerungen gesprochen. Entstanden ist das nachfolgende Interview.

FAZ: Herr Abgeordneter, Sie haben gerade eine Woche lang Gespräche in Washington und North Carolina geführt. Jahrzehntelang waren die Republikaner so etwas wie natürliche Verbündete der CDU. Ist davon noch etwas übrig geblieben? 

Thorsten Frei: Die Partei hat sich verändert, die Republikaner sind heute von Donald Trump dominiert. Es gibt aber noch die anderen Strömungen. Solche, die in der Tradition von Ronald Reagen und George Bush dem Älteren stehen, für die Freihandel und die transatlantischen Beziehungen wichtig sind. Einige von ihren Vertretern habe ich auf meiner Reise gesprochen.

FAZ: Haben diese Leute noch etwas zu sagen? Oder zählt inzwischen bei den Republikanern nur noch das Wort von Donald Trump?

Thorsten Frei: Die Freunde des Freihandels sind nicht mehr allzu zahlreich in Amerika. Wenn ich Donald Trump oder J.D. Vance zuhöre, dann geht es ihnen vor allem um Zölle und Barrieren für den Freihandel. Aber auch die Regierung von Präsident Joe Biden hat keinen Beitrag zum Freihandel geleistet, sondern im Gegenteil Handelsbarrieren hochgezogen. Deswegen müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärken. Das haben mir auf meiner Reise auch deutsche Unternehmer gesagt, die in Amerika produzieren.

FAZ: Washington will, dass Deutschland mehr für seine Verteidigung tut. Das war schon zu Beginn der Kanzlerschaft von Angela Merkel vor fast 20 Jahren so. Wieso hat das in 16 Jahren CDU-Kanzlerschaft nicht in dem erforderlichen Ausmaß stattgefunden? 

Thorsten Frei: Es stimmt: Der Weg Deutschlands zu dem 2014 festgeschrieben Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, wurde sehr, sehr langsam beschritten. Das war auch unter unionsgeführten Regierungen so. Es ist müßig, heute darauf hinzuweisen, dass es vor allem die Sozialdemokraten in den jeweiligen Regierung waren, die das Geld lieber für andere Dinge ausgeben wollten. Mittlerweile dürfte das alte Zwei-Prozent-Ziel eher die Untergrenze dessen sein, was eigentlich notwendig ist. Die Bundesregierung tut jedenfalls viel zu wenig. Sie sorgt nicht für einen nachhaltigen Aufwuchs des Verteidigungshaushalts.

FAZ: Vor der Wahl 2017 hat die SPD gesagt, man lasse sich nicht vom damaligen Präsidenten Trump in die Aufrüstung drängen. Kann sich das im nächsten Jahr wiederholen?

Thorsten Frei: Diese Gefahr besteht bei der SPD immer, denn das Argument war natürlich 2017 schon absurd. Die Verständigung in der NATO auf die zwei Prozent fand nicht in der Präsidentschaft von Donald Trump statt, sondern in der Zeit des demokratischen Präsidenten Barack Obama. Die SPD tut sich schwer damit, genug für die Sicherheit und Verteidigung Deutschlands zu tun. Sozialdemokratischer Pseudo-Pazifismus wird die Freiheitsfeinde vom Schlage Putins aber leider nicht beeindrucken.

FAZ: Haben die Deutschen sich zu lange vor der Verantwortung gedrückt, haben sich versteckt hinter dem großen Bruder in Washington?

Thorsten Frei: Die Deutschen haben sich zu lange zu wohlgefühlt in der militärischen Verantwortungslosigkeit. Wir haben seit 1990 die Friedensdividende voll ausgekostet, haben auf Verteidigungsausgaben weitgehend verzichtet, Sozialausgaben erhöht und die eigentlichen Sicherheitsaufgaben an die Amerikaner ausgelagert. Das wird von den USA nicht dauerhaft akzeptiert, unabhängig davon, wer Präsident ist.

FAZ: Russlands Krieg im Osten Europas gegen die Ukraine und die möglicherweise bevorstehende zweite Amtszeit von Donald Trump: Kann dieser Druck Berlin auf die Sprünge helfen? 

Thorsten Frei: Wir haben schon einige Weckrufe hinter uns. Aber jetzt müsste eigentlich dem Letzten klar geworden sein, in welcher Lage wir uns befinden.

FAZ: Würde unter einem Unions-Kanzler der Verteidigungsetat den Umfang bekommen, den der jetzige sozialdemokratische Minister Boris Pistorius sich wünscht, der ihm aber versagt wird? 

Thorsten Frei: Pistorius ist mit seinen Forderungen auf dem richtigen Weg. Leider kann er sich innerhalb der Bundesregierung damit aber offenkundig nicht durchsetzen. Er hat im letzten Jahr zehn Milliarden Euro mehr für den Verteidigungsetat gefordert, dieses Jahr sechs. Bekommen hat er weniger als den Inflationsausgleich. Die Union würde dafür sorgen, dass wir das Mindestziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen.

FAZ: Die Sorge ist groß, dass mit einer Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus die amerikanische Unterstützung für die Ukraine erheblich zurückginge. Wie lange wird die europäische Unterstützung für Kiew noch dauern? 

Thorsten Frei: Dass es dazu unterschiedliche Positionen in Europa gibt, ist eine Tatsache, mit der man zurechtkommen muss. Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass es in Deutschland sehr unterschiedliche Positionen gibt. Dennoch bleibt es richtig: Es ist in unserem ureigenen Interesse, dass Russland diesen Aggressionskrieg verliert und sich am Ende nicht das Recht des Stärkeren gegen die Stärke des Rechts durchsetzt.

FAZ: Wir gehen auf drei Landtagswahlen im September in Ostdeutschland zu. Laut Umfragen stehen AfD und BSW stark da, die gegen die Unterstützung der Ukraine sind und viel Verständnis für Russland haben. Auch aus der CDU – nicht nur in den Ländern – sind die Rufe nach mehr Militärhilfe für Kiew leiser geworden. Dass Berlin den Marschflugkörper Taurus an Kiew liefert, ist schon länger nicht mehr von der CDU gefordert worden. 

Thorsten Frei: Der Eindruck trügt. Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass die Ukraine so gut und so effektiv wie möglich unterstützt wird. Die Unionsfraktion hat drei namentliche Abstimmungen im Bundestag zur Taurus-Lieferung initiiert. Wir haben auch aus der Ampel heraus viel Sympathie für diese Anträge gespürt. Am Ende haben wir alle drei Abstimmungen verloren. Es hat keinen Sinn, immer wieder mit dem Kopf gegen dieselbe Betonwand zu laufen. Das ändert nichts an unserer Haltung: Der Ukraine Marschflugkörper wie den Taurus zu geben, halten wir nach wie vor für sinnvoll und erforderlich.