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Mehr Otto Schily wagen!

Rede im Bundestag

Mit der Entfristung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes geht es um nicht weniger als das Erbe eines bemerkenswerten Innenministers. Otto Schily, der geistige Vater des Gesetzes, feierte es in seiner damaligen Rede im Deutschen Bundestag als „epochal“. Zu Recht. Schließlich hat Otto Schily es im Jahr 2002 mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz – einem hoch innovativen und weit vorausschauenden Gesetz –unseren Nachrichtendiensten erstmals ermöglicht, bei Luftfahrtunternehmen, Kreditinstituten und Telekommunikationsdiensten bestimmte Auskünfte einzuholen. Nachdem die entsprechenden Befugnisse im Laufe der Jahre mehrfach evaluiert und dreimal verlängert worden sind, wollen wir sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nun endgültig entfristen, weil auch in Zukunft von einer unverändert hohen Bedrohungslage auszugehen ist.

Deutschland verzeichnet rund 630 islamistische Gefährder; eine hohe zweistellige zudem stark steigende Zahl von rechtsextremistischen Gefährdern (Juni 2020: 65) und auch im Bereich des Linksextremismus wird inzwischen im Verfassungsschutzverbund über die Herausbildung terroristischer Strukturen diskutiert. Damit stehen unsere Dienste vor einer präzedenzlosen Gleichzeitigkeit ganz unterschiedlicher extremistischer Herausforderungen. Unsere Aufgabe ist es, unsere Nachrichtendienste weiterhin mit geeigneten Befugnissen auszustatten, um die erforderliche Aufklärungsarbeit leisten zu können.

Die Grundlage für den heute behandelten Gesetzentwurf ist der letzte Evaluierungsbericht des Instituts für Gesetzesfolgenabschätzung. Durch die Evaluierung ist erneut deutlich geworden, dass die genannten Befugnisse für den Erkenntnisgewinn unserer Sicherheitsbehörden nicht nur wesentlich sind, sondern darüber hinaus auch sehr maßvoll von ihnen eingesetzt werden.

Auch in den Reihen der Opposition werden leider immer wieder Orwellsche Dystopien beschworen, in denen der deutsche Staat durch seine Dienste jeden seiner Bürger jederzeit beobachte. Alles das ist – man muss es so deutlich sagen –Unfug. Es hat mit dem, was unsere Dienste tun, nichts, aber auch rein gar nichts zu tun. Der Bericht zeigt das sehr deutlich:

So richteten sich die im einjährigen Erhebungszeitraum durch das Bundesministerium des Innern, das Bundeskanzleramt und das Bundesministerium der Verteidigung angeordneten besonderen Auskunftsverlangen gegen gerade einmal 110 Personen! Von flächendeckender Überwachung kann deshalb nicht einmal im Ansatz die Rede sein.

Vielleicht sollte man sich daran erinnern, wenn wir in den nächsten Wochen über das Gesetz zur Anpassung des Verfassungsschutzgesetzes beraten werden. Auch dort brauchen wir einen vorausschauenden Ansatz. Wir brauchen dort die Quellen-TKÜ und wir brauchen dort auch die Onlinedurchsuchung, sonst werden wir bei der Extremismusbekämpfung nicht weiterkommen. Wenn Sie bei Verdachtsmomenten heute schon ein Mobiltelefon abhören dürfen, wenn Sie einen SMS-Verkehr ausleiten können, dann frage ich mich: Wie wollen Sie dann jemanden erklären, dass eine What’s App nicht mitgelesen werden darf? Richtig: Gar nicht! Das ist einfach nur Unsinn.

Deshalb liebe SPD: Lassen Sie sich von der innovativen Gestaltungsfreue Ihres damaligen Innenministers inspirieren. „Mehr Otto Schily wagen!“ – Das könnte ein echtes Erfolgsrezept sein.