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Kein Krisen-Land steht so in deutschem Blick wie Afghanistan

Braucht es in Deutschland eine noch umfassendere Evaluierung des Engagements in Afghanistan? Diese Frage beschäftigte die Abgeordneten des Deutschen Bundestags am späten Donnerstagabend. Thorsten Frei betonte gleich zu Beginn seiner Rede, dass „wir die Oppositionsanträge ablehnen werden - nicht weil sie gänzlich falsch wären, sondern weil wir der Auffassung sind, dass wir natürlich seit 2001 in vielfacher Hinsicht diesen Einsatz überwacht haben, evaluiert haben, uns mit Wirkungsanalysen beschäftigt haben.“ „Natürlich kann man immer noch mehr evaluieren, natürlich kann man immer noch mehr untersuchen. Aber den Eindruck zu erwecken, wir wären hier im Blindflug unterwegs, ist jedenfalls falsch.

Frei betonte, dass die Bundesregierung und das Parlament sehr genau wissen, was in Afghanistan geschehe. „Und wir sind uns auch bewusst, dass wir denen verantwortlich sind, die als Soldaten, als Polizisten, als zivile Experten dort im Einsatz sind oder gar ihr Leben gelassen haben, und dass wir denen Rechenschaft schuldig sind - genauso wie den deutschen Steuerzahlern, deren Geld wir dort einsetzen.“

Gleichzeitig betonte Thorsten Frei in der Folge, dass Deutschland nicht nur altruistische Zwecke verfolge. Deutschland vertritt aus seiner Sicht dort ganz konkrete deutsche Interessenpolitik. In diesem Zusammenhang verwies noch einmal auf das Zitat von Ex-Verteidigungsminister Peter Struck aus dem Jahr 2002:  „Die deutsche Freiheit wird auch am Hindukusch verteidigt.“

Totaler Quatsch ist für Thorsten Frei die AfD-Aussage, dass durch den Einsatz in Afghanistan „Fluchtursachen gesetzt werden, dass Flüchtlingsströme in Gang gesetzt werden.“ Tatsache ist, dass Afghanistan bis 2001 ein gescheiterter Staat war, der Rückzugsgebiet für islamistische Terroristen war, die ihre Anschläge bei uns ausgeübt haben. Deswegen ist es Schutz unserer Bevölkerung, wenn wir dagegen vorgehen.

Genauso richtig ist, dass durch deutsches Engagement Fluchtursachen bekämpft werden. „Wenn Sie das negieren, dann glauben Sie tatsächlich, dass an den deutschen Grenzen die Welt zu Ende wäre; dem ist mitnichten so.“

Thorsten Frei betonte aber auch die vielen kleinen und größeren Fortschritte und Veränderungen, ohne ein rosarotes Bild zu zeichnen. Schließlich wissen wir alle, dass in Afghanistan im ersten Halbjahr dieses Jahres 1.700 Menschen gestorben sind, dass der Blutzoll, insbesondere der afghanischen Sicherheitskräfte, enorm ist. Trotzdem gibt es eben auch Veränderungen und Verbesserungen.

Im Juli etwa wurden 200 Generale, 1.250 Obristen in den Ruhestand versetzt und damit wurden weitere tradierte Denkschablonen aufgebrochen. Damit wird der Sicherheitssektor weiter gestärkt. Genauso ist wichtig, festzuhalten, dass sich die Sicherheitslage trotz des Einschnittes im Jahr 2014 jedenfalls seit 2017 nicht mehr verschlechtert hat. Die Aufständischen halten 13 Prozent von Afghanistan, die Regierung immerhin etwa 60 Prozent. All das darf man nicht negieren.

„Wenn wir über Nachhaltigkeit und Stabilisierung sprechen, ist es auch wichtig, zu schauen, wie die sozioökonomische Entwicklung im Land ist. Da muss man sehen, dass seit 2001 die Lebenserwartung in Afghanistan von 44 auf 61 Jahre gestiegen ist, dass 55 Prozent der Menschen Zugang zu sauberem Wasser haben, dass nicht 1 Million Schüler in die Schule gehen, sondern 8 Millionen Kinder - davon ein Drittel Mädchen -, dass sich sowohl das Bruttosozialprodukt als auch das Einkommen der Afghanen in diesen Jahren mehr als verfünffacht hat. All das ist eben auch richtig, wenn es um Fortschritte geht.“

Deswegen ist es für Thorsten Frei angesichts der politischen Rahmenbedingungen - am 20. Oktober sind Parlamentswahlen, am 20. April nächsten Jahres Präsidentschaftswahlen - richtig, dass wir die Afghanen auch darin unterstützen, möglichst faire, freie und akzeptierte Wahlen abzuhalten, um damit auch die Grundlage dafür zu legen, dass sich der Staat weiter positiv entwickeln kann. Dafür braucht man in der Tat Geduld. Dafür muss man auch die Energie aufbringen, Rückschläge in Kauf zu nehmen und zu überwinden. Noch mehr Evaluierung braucht es dafür aber nicht.