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Freier Handel ist die Basis von Deutschlands Wohlstand

Erstaunlicherweise wurden sämtliche Debatten im Zuge der Bundestagswahl von Flüchtlingsfragen überlagert. Zwar werden diese von vielen Seiten mit Verteilungsfragen verknüpft. Allerdings wurde kaum darüber diskutiert, woher unser Wohlstand eigentlich kommt. Das ist üblicherweise das Denken linker Parteien, aber auch der AfD. Zumeist wird über soziale Wohltaten gestritten. Dass aber zunächst Gelder erarbeitet werden müssen, bevor überhaupt etwas verteilt werden kann, darüber machen sich diese oft keine oder wenig Gedanken.

Für Deutschland als exportorientierte Handelsnation ist ganz klar, dass wir vom freien Warenverkehr im Weltmarkt profitieren. Deutschland hat im letzten Jahr China wieder als Exportweltmeister entthront und wird auch in diesem Jahr diesen Spitzenplatz behalten. Der Überschuss zwischen Exporten und Importen liegt bei etwa 257 Mrd. EUR, was etwa 8 % unserer Gesamtwirtschaftsleistung entspricht.

Um noch einige Fakten zu nennen, die die große Bedeutung des Außenhandels unterstreichen: Die Exporte im letzten Jahr entsprachen einem Wert von 1.207 Mrd. EUR. Sie machen damit etwas mehr als ein Drittel des gesamten Bruttoinlandsprodukts aus. Demzufolge verwundert es nicht, dass in Deutschland jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhängt. In meinem Schwarzwälder Wahlkreis, der einerseits zum ländlichen Raum gehört, andererseits extrem stark mittelständisch geprägt ist, gilt das sogar für jeden zweiten Arbeitnehmer. Im Maschinenbau sind es hier sogar 70 %. Freier Handel und Export bedeuten für uns Arbeitsplätze und Wohlstand – beispielsweise zur Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme. Umso mehr wundert es mich, dass die zuvor angesprochenen linken Parteien und auch die AfD Freihandelsverträge geradezu ideologisch-borniert ablehnen und negieren und dass dies im Wahlkampf kaum ein Thema war.

Ganz entschieden müssen wir politisch alles daran setzen, dass der freie Warenverkehr auch künftig möglich bleibt. Diese Aufgabe wird uns voraussichtlich sehr fordern. Schließlich deuten sich an vielen Fronten Nationalismus und Protektionismus an. Das ist eigentlich in einer zunehmend globalisierten Welt kaum zu glauben, zeigt sich aber auch bei uns in der Bevölkerung leider immer stärker, wie der Zuspruch für die AfD oder die große Ablehnung von TTIP zum Ende der Amtszeit von Barack Obama dokumentieren.

Seit dem Amtsantritt von Donald Trump hat sich mit Blick auf unseren größten Handelspartner, die USA, vieles verändert, auch wenn es der US-Präsident bei aller Kritik an unserem Außenhandelsüberschuss aufgrund innenpolitischer Querelen bisher hauptsächlich bei Drohungen belassen hat. Dennoch ist klar, dass jede Verschiebung für uns schmerzlich sein wird, da in die USA immerhin 10 % unserer Exporte gehen. Mögliche Handelsschranken und Einfuhrzölle auf deutsche Exportgüter könnten unsere Ausfuhren jedes Jahr um 5 Prozent senken und die Realeinkommen der Menschen um 0,8 Prozent schrumpfen lassen, so die Analyse des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung.

Weiteres Ungemach droht im Falle eines harten Brexits vor allem in Handels- und Zollangelegenheiten. Auch dies könnte isoliert zu einem Exportrückgang führen. Allein die Ausfuhren aus Baden-Württemberg würden um 1 Prozent einbrechen.

Andernorts sind die Hürden schon heute viel restriktiver. Kaum ein Land macht es den deutschen Unternehmen gegenwärtig so schwer wie die Türkei, was sicherlich auch ein Ergebnis der schwierigen politischen Situation vor Ort und mit uns ist. Beispielsweise verlangt die Türkei seit Ende 2015 bei der Einfuhr elektrischer Geräte die Vorlage bislang nicht erforderlicher Prüfzertifikate, etwa zu deren elektromagnetischen Eigenschaften. Bislang war in den meisten Fällen das europäische CE-Kennzeichen ausreichend. Ein anderes Beispiel ist die Nichteinhaltung der geltenden Regeln der gemeinsamen Zollunion, der die Türkei seit 1996 angehört. Eigentlich hat sich die Türkei im Rahmen dessen verpflichtet, denjenigen Waren zollfreien Zugang zum eigenen Markt zu gewähren, die zuvor über einen Mitgliedsstaat der EU eingeführt und dort bereits verzollt wurden. Immer wieder weisen deutsche Unternehmen darauf hin, dass die Vereinfachungen der Zollunion keine Anwendung finden und die türkischen Behörden höhere Anforderungen erheben. Mehr als 6.800 deutsche Unternehmen sind vor Ort derzeit aktiv. Das unterstreicht die Dimension des Problems noch einmal eindrücklich.

Aber auch innerhalb der EU gibt es zunehmende Hürden für Waren und Dienstleistungen aus Deutschland. Immer schwieriger wird es, wenn Mitarbeiter für Wartungs-  oder Montagearbeiten für kurze Zeit in ein anderes Land entsendet werden sollen. In Österreich, Italien oder Frankreich müssen Unternehmen jeden zu entsendenden Mitarbeiter bei den lokalen Behörden anmelden. Spontane Entsendungen werden hierdurch fast unmöglich.

Über 90 % der im Ausland tätigen Unternehmen klagen über zunehmende Marktzugangshürden. Die Zielländer ihrer Geschäfte werden immer kreativer, um den Zugang zu ihren Märkten zu versperren. Was früher Handelszölle waren, sind heute zusätzliche, oftmals unnötige lokale Regulierungen. Vor allem lokale Zertifizierungen im Lebensmittel- und Gesundheitsbereich und verstärkte Sicherheitsanforderungen bremsen das Geschäft, so der aktuelle Außenhandelsreport der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Zunehmend wird das Auslandsgeschäft für deutsche Unternehmen ungemütlicher. Was heute für die Öffentlichkeit  noch wenig bis kaum wahrnehmbar ist, kann morgen schon ein rauer Wind sein, den Wirtschaft und Arbeitnehmer spüren können. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen stoßen mehr und mehr an ihre Grenzen, was bürokratische Lasten betrifft.

Dabei handelt es sich bei den angesprochenen Beispielen und Risiken lediglich um solche Länder, die uns geographisch oder aufgrund geteilter Werte und Interessen ohnehin nahe stehen. Das eigentliche Problem tritt noch viel deutlicher zu Tage, wenn man etwa China oder Indien ins Auge fasst. Dort wird der Trend zur staatlichen Einmischung und Kontrolle schon seit längerem perfektioniert. Deutsche Unternehmen können überhaupt nur in die dortigen Märkte eintreten, wenn sie chinesische oder indische Partner haben und diesen umfassenden Einblick in Quellcodes, Rezepturen oder sonstige Firmeninterna geben. Natürlich sind diese Märkte der Zukunft allein schon wegen ihrer Größe attraktiv. Aber es ist dennoch eine große Gefahr für unsere Unternehmen, die Grundlagen für den Erfolg aus der Hand zu geben. Kritik muss sich an dieser Stelle auch die politische Führung in Peking gefallen lassen. Es wird nicht auf Dauer durchzuhalten sein, einerseits die ausländischen Anbieter systematisch und branchenübergreifend mit Auflagen, Quoten und Zugangspflichten zu belegen und andererseits darüber zu klagen, wenn Deutschland oder andere Länder im Ausnahmefall die Übernahme von heimischen Anbietern verhindern. Freihandel kann nur auf Gegenseitigkeit beruhen.

Insofern ist die künftige Bundesregierung gefordert, mit aller Kraft nach innen und nach außen für freien Handel einzutreten und unsere deutschen Interessen in diesem Bereich mit Kraft zu vertreten. Schließlich hängen daran Millionen Arbeitsplätze und viele Steuermilliarden, die die soziale Komponente unserer Marktwirtschaft überhaupt erst ermöglichen. Diese Argumente müssen den Menschen plausibel erklärt werden. Das wird die Zustimmung auch für einen neuen Anlauf bei TTIP stärken. Schließlich will niemand an bestehenden Verbraucher- und Arbeitnehmerrechten rütteln. Es geht lediglich darum, die Basis unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohlstands zu erhalten und zu schützen. Das sollte am Ende jedem einleuchten.