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Europa muss endlich mit einer Stimme nach außen sprechen

Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Europa war heute Thema im Deutschen Bundestag. Thorsten Frei resümierte in seiner Rede, „die Bilanz der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik fällt acht Jahre nach dem Vertrag von Lissabon gemischt aus. Und das, obwohl grundlegende Verschiebungen in der Weltordnung und ein „Ring of Fire“ rund um Europa eine starke Stimme der EU in außenpolitischen Belangen erfordern.“

Für Frei ist insbesondere der Rückzug der USA aus vielen Weltregionen eine Entwicklung, aus der man zwei Folgerungen ziehen muss. Erstens: Sobald sich die USA aus einer Region zurückziehen, keimen alte und neue Konflikte mit voller Wucht auf. Zweitens: Überall, wo ein von Washington hinterlassenes Vakuum entsteht, versuchen China, Russland und auch der Iran dieses zu füllen und dort über wirtschaftliche oder militärische Mittel politische Hebel zu  installieren.

Besonders problematisch ist dies für Thorsten Frei vor allem in unserer direkten Nachbarschaft – beispielsweise dem Westbalkan – oder noch schlimmer: sogar direkt innerhalb der EU, auch bei uns in Deutschland. Das Problem ist, dass solche Länder in unserer Demokratie eine Gefahr für ihre eigenen politischen Systeme sehen. Denn die Demokratie und die Freiheit der Menschen hier verstärken die mangelnde gesellschaftliche Legitimation dort.

Daraus folgert Thorsten Frei, „Europa muss sich aus eigenem Interesse heraus möglichst schnell emanzipieren. Nur dann werden wir auch morgen unsere Werte und unsere Sicherheit behaupten können.“ Schließlich repräsentieren die EU 28 heute mehr als 500 Mio. Menschen auf der Welt. „Wir sind als Handelspartner eine maßgebliche Macht. Wenn es aber um die Vertretung unserer sicherheitspolitischen Interessen geht, versagen wir.“

Das zeigt für Thorsten Frei schon allein der Blick nach Syrien und damit vor die eigene Haustür. „Dort haben wir unsere Interessen überhaupt nicht vertreten, lediglich humanitäre Hilfe geleistet und politisch betrachtet schlicht versagt. Wir finden nicht statt. Auf der anderen Seite tragen wir in Form von Migration und Terrorismus aber die Konsequenzen der dortigen Politik. Nicht Russland! Nicht die USA! Wir!“

Selbstkritisch ergänzte Frei, dass sich die Mitgliedsstaaten häufig selbst am nächsten sind und durch die bestehenden Mechanismen selbstbewusstes Handeln blockieren. Erst dadurch wird auch die Einflussnahme von außen durch Drittstaaten möglich. „Folglich müssen wir zumindest über die Einführung von Mehrheitsentscheidungen nachdenken, die dann auch von allen nach außen einheitlich vertreten werden.“

Aber es geht für ihn auch um Durchsetzungsfähigkeit. Das zeigst sich in der Ukraine, in Syrien und andernorts. Deshalb ist es wichtig, dass die EU mehr unternimmt, um funktionierende militärische Fähigkeiten auf EU-Ebene bereitzuhalten, die abschrecken und zur Wahrung eigener Interessen eingesetzt werden können.

Bevor wir aber diesbezüglich immer nur nach Brüssel schauen, müssen wir zunächst unsere eigenen Hausaufgaben machen. Der Zustand der Bundeswehr ist essentiell für die Handlungsfähigkeit unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Auch vor diesem Hintergrund müssen wir das 2-%-Ziel der NATO sehr ernst nehmen und bis zum Ende der Legislaturperiode versuchen, durch zusätzlich verfügbare Haushaltsmittel einen Aufwuchs zu erreichen. Die Vereinbarung, dass solche Mittel die 1:1 in die Bereiche Entwicklungszusammenarbeit, Humanitäre Hilfe, zivile Krisenprävention und Verteidigung fließen sollen, ist dahingehend ein Lichtblick, dass wir es zumindest auf 1,5 % schaffen könnten.

Um den vernetzten europäischen Ansatz zu stärken und weiterzuentwickeln, ist es deshalb richtig, dass die nächste Bundesregierung eine Art PESCO für zivile Strukturen und die Entwicklungszusammenarbeit entwickeln und die strukturierte Zusammenarbeit im militärischen Bereich weiter mit Leben füllen will.