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EU-Agrarreform: "Kleinere Betriebe müssen profitieren."

Seit Beginn der 1960er-Jahre gibt es die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP). Damals, mit Blick auf die weltkriegsbedingten Hungerjahre, noch als Sicherung der Ernährung der Bevölkerung durch erschwingliche Lebensmittel gedacht, sind die Subventionen - 58 Milliarden Euro jährlich bedeuten fast 40 Prozent des EU-Budgets - geblieben, mittlerweile geht es aber immer mehr darum, das Sozialleben in teils abgehängten Gebieten und die Natur im ländlichen Raum intakt zu halten. Hier setzen die hiesigen Landwirte an, um bei der anstehenden Neuordnung der GAP besser wegzukommen. Dies wurde bei einem Gespräch mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei und CDU-Europaabgeordneten Andreas Schwab und dem auf dem Hof von Reinhold Moßbrugger in Bräunlingen-Bruggen deutlich.

GAP und Brexit: Große Unsicherheit herrscht durch den bevorstehenden Brexit. Die Milliardenzahlungen Großbritanniens werden fehlen. Ohne Einschnitte für die Landwirte wird es wohl nicht gehen, über die Höhe wird derzeit viel diskutiert. Einigung zwischen EU-Agrarkommissar Phil Hogan und den Agrarministern der Länder besteht im Hinblick auf Modernisierung und Vereinfachung, um besser zu den neuen Zielen (nachhaltige Beschäftigung in den ländlichen Regionen sowie Bewältigung der Herausforderungen seitens des Umweltschutzes und des Klimawandels) beitragen zu können. Die Ziele von 1962, eine sichere Versorgung mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln sowie den Landwirten und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen, bleiben. Aber die Art und Weise der landwirtschaftlichen Produktion (etwa Tierwohl, Umwelt- und Artenschutz) rücken in den Fokus. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger muss ohne die britischen Milliardenzahlungen sparen und will den EU-Haushaltsanteil der Landwirtschaft unter ein Drittel drücken. "Das ist nachvollziehbar, denn neben der Kürzung gilt es neue Aufgaben wie den Schutz der Außengrenzen, die Bewältigung des Migrationsproblems zu finanzieren" warf Thorsten Frei ein und Andreas Schwab meinte, dass die gemeinsame Agrarpolitik im Prinzip eine gute Sache sei, allerdings sei sie inzwischen mit Bürokratie überfrachtet: "Immer neue Sonderverpflichtungen sollten dann aber auch erstattet werden."

Subventionen: Die neue GAP sieht auch eine Umverteilung der Gelder vor. Nach Subventionen für die Massenproduktion, die Milchseen, Butter- und Fleischberge verursachte, wurden allein die Flächen unterstützt. Davon profitieren derzeit die großen Betriebe im Norden: "Die zehn Prozent der Betriebe mit dem höchsten Einkommen erhalten derzeit 55 Prozent der Direktzahlungen, die 80 Prozent der Höfe mit dem geringsten Einkommen bekommen nur 25 Prozent", kritisierte Frei. Künftig sollen kleinere Betriebe bis 50 Hektar stärker berücksichtigt werden. Danach sollen die direkten Zahlungen mit zunehmender Betriebsfläche degressiv zurückgehen und über einer bestimmten Hektarzahl soll es keine Zahlungen mehr geben (Kappung). "Dieser Weg wäre für die Landwirtschaft und den Erhalt der Kulturlandschaft in der Region sehr wichtig", machte der BLHV-Kreisvorsitzende Karl-Heinz Bäurer deutlich. "Mit dieser Änderung muss sich Ministerin Klöckner aber auch erst einmal in der Bundesregierung und im Bundestag durchsetzen", bremste der CDU-Politiker Frei allzu hohe Erwartungen.

Naturschutz: "In der Diskussion um den Naturschutz wird die Landwirtschaft immer mehr in eine Nische gedrängt. Dabei werden beispielsweise in unserer Region nirgendwo die Nitrat-Grenzwerte im Wasser auch nur annähernd erreicht. Steigt der Wert irgendwo mal kurz an, wird gleich groß diskutiert, obwohl der Wert immer noch weit unter dem Grenzwert liegt", kritisiert Bäurer. Hier müsse ein Umdenken stattfinden, ansonsten werde die Landwirtschaft durch immer mehr Verordnungen kaputt gemacht, "obwohl wir es doch sind, die die Nahrung produzieren und die Kulturlandschaft pflegen." Dem pflichtete Andreas Schwab bei: "Der Sinn für Lebensmittel und das Wissen um deren Entstehen fehlt inzwischen bei vielen." Und mit dem Blick auf den Erhalt der Kulturlandschaft meinte Thorsten Frei, dass "in meiner Wahlkreisgemeinde Oberwolfach vor hundert Jahren noch 40 Prozent der Gemarkung bewaldet waren, heute sind es 80 Prozent." Und: "Wenn die Gesellschaft Forderungen an die Kulturlandschaft stellt, sollten diese den Landwirten auch vergütet werden." Kritisch sehen die Landwirte generell, dass die EU Verordnungen beschließe, Bund und Land das Ganze diese übereifrig noch verschärfe. Unzählige und kostspielige Hofkontrollen und Gängelungen seitens der Naturschutzbehörden und -verbände nähmen daher überhand, kritisierte Gastgeber Reinhold Moßbrugger.

Missernten: In der Diskussion sind mit der extremen Trockenheit nun wieder Ausfallzahlungen von Bund und Ländern. Alternativ wünscht sich hier Karl-Heinz Bäurer, der Vorsitzende des BLHV Kreis Donaueschingen, eine Alternative bei Ernteausfällen, die auf Wetterereignisse zurückzuführen sind: eine steuerneutrale Risikorücklage, die die Landwirte von einem Teil ihres zu versteuernden Einkommens über fünf Erntejahre selbst bilden. Bei Ernteausfällen würde, so Bäurer, das einbehaltene Geld umgehend helfen: "Das wäre für uns wirkungsvoller als teure Versicherungen oder bürokratisch aufwändige Subventionen", meint Bäurer. Und gibt es keine Ausfälle, soll immer der älteste zurückbehaltene Jahresbeitrag aus besagten fünf Jahren aus der Rücklage nachversteuert werden. Thorsten Frei will diesen "unbürokratischen Vorschlag" in Berlin unterstützen.

               

Landwirtschaft in Zahlen:

Die Zahl der Betriebe ist seit 1975 von 904 000  auf 267 800, davon ökologisch: 13 900. Vergangenes Jahr wurden in Deutschland rund 16,7 Millionen Hektar (konstant über Jahre) landwirtschaftlich genutzt. Der größte Anteil entfiel dabei auf Ackerland. 2017 lag der durchschnittliche Milchertrag je Kuh pro Jahr in Deutschland bei 7780 Kilogramm, 1990 lag dieser bei 4710 kg und 1950 noch bei 2480 kg. Die Anzahl der Milchkühe je Betrieb in Deutschland ist zwischen 1995 und 2017 deutlich von 26,7 auf 63,8 gestiegen.

Diskussion um die Landwirtschaftspolitik von morgen auf dem Bauernhof von Reinhold Moßbrugger in Bruggen mit Vertretern des BLHV, des Landfrauenbezirks und den CDU-Abgeordneten Andreas Schwab (Europa) und Thorsten Frei (Deutscher Bundestag): Renate Tritschler, Hans Riesle, Edeltraud Hofacker, Klaus Riesle, Reinhold Moßbrugger, Thorsten Frei, BLHV-Geschäftsführer Oliver Maier, der BLHV-Vorsitzende Karl-Heinz Bäurer und Andreas Schwab.