01.

„Der Geschichte stellen“ – Thorsten Frei beim Vortragsabend der Alevitischen Gemeinde Villingen-Schwenningen

„Man muss sich der Geschichte stellen“, forderte Thorsten Frei in seinem Grußwort beim Vortragsabend der Alevitischen Gemeinde Villingen-Schwenningen im Villinger Franziskanermuseum am Freitagabend in dessen Mittelpunkt der Vortrag „Der Völkermord an den Armeniern“ von Prof. Dr. Taner Akcam stand. Akcam ist Professor für Geschichte an der Clark University in den USA und einer der ersten türkischen Akademiker, die den Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich thematisieren. Die Türkei leugne zwar nicht die Massentötungen und Vertreibungen, wohl ab den politisch diktierten Genozid. Es habe keine zentrale Entscheidung gegeben, heiße es offiziell. Akcam behauptete in seinem Vortrag unter Vorlage von dechiffrierten Dokumenten das Gegenteil.

Für die Aleviten, die den Islam sehr liberal auslegen und andere Religionen als gleichwertig betrachten, ist das Schicksal der Armenier ein wichtiges Thema, denn dieses ist eng mit ihrem verbunden: Zehntausende Aleviten starben bei Säuberungsaktionen in den Jahren 1937/38. Und heute klagen sie gegen Unterdrückung in der Türkei.

War der Bundestag im Juni 2016 der richtige Ort um über die Tötung von Hundertausenden Armenieren in den Jahren 1915/16 im Osmanischen Reich zu diskutieren und abzustimmen? Thorsten Frei beantwortete diese Frage mit Blick auf die damalige Duldung des Deutschen Reichs als Verbündetem mit einem klaren Ja. Man müsse das Unrecht klar benennen, schließlich habe es stets Folgen für die Zukunft. „Die Auseinandersetzung mit Verbrechen in der Geschichte ist die Grundlage für Aussöhnung, Frieden und Stabilität in der Gegenwart und Zukunft“, meinte Thorsten Frei und nannte die Aussöhnung zwischen den einst verfeindeten Nationen Frankreich und Deutschland als ermutigendes Beispiel, ebenso die Aussöhnungsbemühungen auf dem Balkan nach dem Krieg in den 1990er-Jahren.  Auch die Religionsfreiheit sei in diesen Prozessen ein entscheidender Faktor. Für rund 70 Prozent der Weltbevölkerung sei diese aber leider nicht gegeben.